Til Schweiger in Belarus: Driften für Diktatoren
Schauspieler Til Schweiger gerät vor Journalisten in Belarus ins Schleudern. Sein Lob für den autokratischen Staat dürfte Machtinhaber Lukaschenko freuen.
D ie Meldung ist zwar bitter, aber, wenn wir mal ehrlich sind, irgendwie nicht sonderlich überraschend: Til Schweiger macht Werbung für Belarus. Der deutsche Schauspieler und Regisseur ist für Dreharbeiten zu einem Werbespot dorthin gefahren. Und er fand glühende Worte für Lukaschenkos Diktatur, ausgerechnet gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur BelTA. „Mein Eindruck ist, dass es ein sehr sauberes und sicheres Land ist“, sagt er in seinem holprigen Urlaubsenglisch in einem Video, das am Samstag auf Youtube veröffentlicht wurde und den Titel „Früher waren die Russen die Bösen!“ – ein Schweiger-O-Ton – trägt.
Es ist eine Art Pressekonferenz für eine Blockchain-Sports-Agentur, die Schweiger bewerben soll. Aber eigentlich geht es in dem Video mehr um das Land selbst als um das Produkt, das er eigentlich verkaufen soll. Schweigers Antworten werden von einer Moderatorin ins Russische übersetzt. Es ist an vielen Stellen schlicht probelarussische Propaganda. Dazwischen werden Clips aus dem Werbespot eingeblendet: Schweiger driftet in einem gebrandeten Blockchain-Sportauto, bevor er im Anzug einen roten Teppich herunterläuft.
„Ich mag die Menschen hier, sie sind freundlich und lächeln immer“, nuschelt Schweiger. Er sei bereits mindestens zehn Mal in Moskau gewesen, aber noch nie in Belarus. „Daher war ich neugierig, weil ich die besten Dinge über das Land gehört habe.“ Er habe erst mal gegoogelt, „wie groß Minsk ist“.
Schweiger scheint es in der belarussischen Hauptstadt gutzugehen. Er habe ein gutes Hotel, möge das Essen, die Menschen seien freundlich. „Die Filmproduktion hat mir sogar einen Arzt organisiert, der mir eine Vitamin-Infusion verabreicht hat, sodass ich mich wie neugeboren fühle.“
Wellness und Propaganda
So macht Schweiger offenbar irgendwas zwischen Wellness-Retreat und Propaganda für ein brutales Regime, das Oppositionelle einsperrt, niederknüppelt, foltert. Ein Regime, das den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützt, in dem es keine freien Wahlen gibt, das laut russischen Oppositionellen Putin zu einigen der autoritärsten Maßnahmen inspiriert hat. Doch all das scheint Schweiger überhaupt nicht zu stören. Hauptsache Infusion, Hauptsache Aufmerksamkeit.
Man ist von Til Schweiger einiges gewohnt. Die Messlatte der Erwartungen liegt bei ihm so niedrig, dass man nicht mal über sie stolpern kann. Und der Kinodarling von uninspirierten, aber lukrativen Filmen wie „Keinohrhasen“ (2007) oder „Zweiohrküken“ (2009) ist schon längst Geschichte.
Stattdessen gibt es nur noch den selbstverliebten Keinverstandschweiger, der während der Covid-Pandemie gegen Kinderimpfungen schwurbelte oder am Filmset mit aggressiven, alkoholisierten Tiraden für Schlagzeilen sorgte. Den Schweiger, der darum kämpft, relevant und rentabel zu bleiben.
Späte Klarstellung
Dass dabei nicht nur positives Feedback zurückkommen kann, merkt er selbst und stellt seine Absichten auf Instagram klar: Seine Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden und er unterstütze keine politischen oder ideologischen Haltungen.
Das hätte er sich auch vor seiner Reise überlegen können. So scheint es, als ob sich Möchtegern-Strongman Schweiger von dem tatsächlichen Strongman Lukaschenko blenden lässt. Wundern würde es nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut