TikTok bei der Bundeswehr: Pengpeng auf TikTok
Die Bundeswehr wirbt mit einer TikTok-Kampagne um Nachwuchs. Dabei ist die App für Soldaten aus Datenschutzgründen verboten. Wie passt das zusammen?
An ihr lässt sich ablesen, wie die Bundeswehr zwischen moderner Rekrutierungsstrategie und Sicherheitsbedenken abwägt. Denn für Diensthandys des Verteidigungsministeriums gilt seit vier Jahren ein Nutzungsverbot der chinesischen App Tiktok – aus Datenschutzgründen. Wie passt das zusammen?
Content-Creator, Challenges, Community-Teilnahme – die Kampagne enthält aus Sicht der Bundeswehr alles, was der Generation Z gefällt. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius zielt mit ihr auf die größtenteils 14- bis 19-jährigen Nutzer*innen der Plattform ab. Ungefähr 50 Tausend Follower*innen und mehr verfolgten den vierwöchigen Roadtrip von vier Influencer*innen an der Seite von zwei Bundeswehrler*innen quer durch Deutschland.
Die Kosten der Kampagne betrugen rund 6 Millionen Euro. Die Kreativagenturen dahinter ließen den Roadtrip und die Bundeswehr verspielt und abenteuerlich anmuten. Aus Hauptmann Sebastian wurde der „Erklär-Bär“, User*innen wurden durch Gewinnspiele zum Mitmachen aufgefordert. Ein einfallsreicher Ansatz, um dem Fachkräftemangel bei der Bundeswehr entgegenzuwirken?
„Die Nutzung von TikTok ist unverzichtbar“
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums begründet die Tiktok-Kampagne gegenüber der taz so: „Um im personalwerblichen Wettbewerb um die besten Köpfe zu bestehen, ist die Nutzung von TikTok unverzichtbar“. Dabei sind datenschutzrechtliche Bedenken gegenüber der Plattform, an dessen Mutterkonzern ByteDance unter anderem die chinesische Regierung beteiligt ist, nicht neu.
Die EU-Kommission leitete alleine dieses Jahr zwei Verfahren gegen Tiktok ein, aufgrund mangelnden Daten- und Jugendschutzes. Auch die irische Datenschutzbehörde verhängte bereits ein Bußgeld in Millionenhöhe. Gerade Minderjährige, die Hauptzielgruppe der Kampagne also, würden von Tiktok nach wie vor nicht ausreichend vor etwa schädlichen Inhalten und Abhängigkeiten geschützt.
Auch der Linken-Abgeordnete Dietmar Bartsch kritisiert auf Anfrage der taz, dass sich die Bundeswehr mit der Tiktok-Kampagne auf Jugendliche fokussiere: „Im vergangenen Jahr waren bereits 10 Prozent aller Rekrutinnen und Rekruten minderjährig.“
Neben dieser grundsätzlichen Kritik bleibt die Tiktok-Kampagne vor allem aus datenschutzrechtlichen Gründen umstritten.
Jens Zimmermann, SPD-Obmann des Digitalausschusses des Bundestags, sagte auf taz-Anfrage: „Tiktok ist eine umstrittene Plattform, und gerade im Kontext von Userdaten und Verbindungen nach China sollte genau hingeschaut werden, wie die Plattform genutzt wird“. Grundsätzlich halte er deshalb das Tiktok-Verbot auf Dienstgeräten des BMVg für richtig.
Bundeswehr hat keinen Einfluss auf Daten
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) kritisiert schon lange die Nutzung personenbezogener Daten durch Tiktok und damit potenziell durch die chinesische Regierung. Öffentliche Stellen in Deutschland unternehmen wenig dagegen. Ob registrierte*r Tiktok-Nutzer*in oder nicht, bei jedem Besuch des Bundeswehr-Accounts werden unter anderem IP-Adresse, Standortdaten sowie Daten zum individuellen Nutzungsverhalten erfasst.
Was aber geschieht mit den Daten? Im Datenschutzhinweis zum Tiktok-Kanal der Bundeswehr heißt es salopp, diese würden „von TikTok verarbeitet und dabei gegebenenfalls in Länder außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums übertragen“.
Ein Sprecher des Ministeriums sieht die Bundeswehr nicht in der Verantwortung: „Datenschutzrechtliche Fragen betreffen alleinig das Verhältnis zwischen Tiktok und angemeldeten Nutzerinnen und Nutzern, hierzu nimmt die Bundeswehr keinerlei Stellung. Denn: Auf die Art und den Umfang der seitens der Plattformbetreiber erhobenen Daten sowie deren Verarbeitung hat die Bundeswehr keinen Einfluss“.
Immerhin, so der Sprecher, verhindere das Tiktok-Verbot auf Diensthandys einen Cyberangriff auf die sensible IT-Struktur der Bundeswehr. Und, so heißt es im Datenschutzhinweis auf der Bundeswehr-Karriereseite, wenigstens sei die Tiktok-Analytics-Funktion deaktiviert.
Diese würde dem Ministerium demografische Daten sowie Daten zur Aktivität der User*innen zur Verfügung stellen. Ein Sprecher des Datenschutzbeauftragten sieht die Bundeswehr jedoch in einer Mitverantwortung, dass Tiktok diese Daten weiterhin sammeln kann.
Zwei der vier Creators der „Explorers“-Serie schieden übrigens schon vor Ende der vier Wochen Roadtrip aus. Einer davon, Influencer und Koch Can, weil er festgestellt hat, dass die Bundeswehr nichts für ihn ist. Wann merkt die Bundeswehr umgekehrt, dass Tiktok möglicherweise nicht die sicherste Plattform für ihre Rekrutierungsstrategie ist?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja