Tierschutz in Schleswig-Holstein: Klagen erwünscht
Tierschutzorganisationen können nun gerichtlich gegen Tierbetriebe vorgehen. Der Bauernverband befürchte eine Klagewelle.
KIEL dpa | Tierschutzorganisationen können künftig in Schleswig-Holstein mit Verbandsklagen gegen tierschutzrelevante Missstände in Betrieben vorgehen. Der Landtag beschloss am Freitag in Kiel ein entsprechendes Gesetz mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und SSW, unterstützt von den Piraten und dem Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP, Heiner Garg.
Die CDU und die anderen FDP-Abgeordneten stimmten dagegen - sie sehen eine Verletzung des Datenschutzes, befürchten eine Klagewelle und Vorverurteilungen betroffener Betriebe sowie mehr Bürokratie. Auch der Bauernverband wandte sich mit ähnlicher Argumentation gegen das Verbandsklagerecht.
Mit dem Klagerecht können Tierschutzvereine bei vermuteten Quälereien - etwa bei der Massentierhaltung – die Gerichte anrufen oder auch einstweilige Anordnungen erwirken. Anlass können zum Beispiel zu kleine oder unhygienische Ställe oder das umstrittene Abschneiden – Kupieren – von Schweineschwänzen sein. Bislang konnten Tierschutzorganisationen Verstöße nur den Behörden melden, aber nicht selbst klagen.
Vor Beginn der Landtagssitzung demonstrierten in Kuh-Kostümen Mitglieder von Tierschutzvereinen wie „pro vieh“ für das Verbandsklagerecht. Auf Transparenten stand „Tieren eine Stimme geben“ oder „Da klagen ja die Hühner“. Der „pro vieh“-Vorsitzende, der Kieler Zoologe Sievert Lorenzen, betonte den im Grundgesetz und in der Landesverfassung verankerten Tierschutz, dem Rechnung zu tragen sei. Es werde aber nur wenige Grundsatzklagen geben. Dies zeigten die Erfahrungen mit dem Verbandsklagerecht bei den Naturschutzverbänden.
Landwirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verwies darauf, dass es in fünf Ländern bereits ein Tierschutz-Verbandsklagerecht gebe. In Nordrhein-Westfalen sei bisher eine einzige Klage eingereicht worden. Zum Vorwurf des CDU-Abgeordneten Heiner Rickers, mit dem Gesetz werde den eigenen Behörden, die die Aufsicht hätten, misstraut, sagte Habeck: „Die Tierschutzvereine können klagen, sie sollen parteiisch sein – aber die Gerichte entscheiden!“ Gewandt an den Grünen-Abgeordneten Detlef Matthiessen, der den Gesetzesantrag im Auftrag der Koalition vorgestellt hatte, sagte er: „Detlef, Du bist heute wirklich der Weihnachtsmann für die Tiere.“
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