Tierhaltung in Milchviehbetrieb: Kalb am Haken
Video-Aufnahmen aus einem Agrarindustrie-Unternehmen bei Bremen zeigen todkranke, ausgemergelte Kühe und sinnlos gequälte Kälber.
Das Kalb liegt auf dem Rücken in einem Betonkarree – vermutlich eine Krankenbox. So darf ein Rind niemals liegen.
Das Video aber dauert, quälend, eine halbe Stunde, ohne erkennbaren Schnitt. „Wir sind überzeugt davon, dass diese und die anderen Aufnahmen, die uns zugespielt wurden, echt sind und von dem Betrieb im Kreis Diepholz stammen“, sagt Peter Hübner von der Tierrechtsorganisation Metzger gegen Tiermord.
Der Agrarunternehmer ist sonst eher kontaktfreudig und alles andere als pressescheu. Heute drückt er die taz einfach weg, als sie ihn anruft. Seine Mutter, die per Festnetz zu erreichen ist, sie gehört auch der Unternehmensleitung an, weiß nur von einem nächtlichen Zwischenfall Mitte April.
Ein Zwischenfall im April
„Da hatte mein Ex-Mann die Polizei gerufen, weil er vermummte Gestalten über den Hof huschen sah, die etwas in der Hand hielten.“ Sie vermutet jetzt, dass es sich um eine Kamera gehandelt haben könnte. Tags drauf sei dann das Veterinäramt gekommen. „Die hatten nichts zu beanstanden“, sagt sie. „Also alles gegenstandslos.“
Mit versteckter Kamera gefilmt sind trüb blickende Kühe mit wegknickenden Vorderläufen, mit monströsen Geschwulsten von knapp 30 Zentimetern Durchmesser im Hals und Brustbereich, auch gefilmt sind Ohrenmarken mit den ID-Nummern der Tiere. „Die Bilder kommen zu 100 Prozent von dem Betrieb“, sagt Hübners Mitstreiter Philipp Hörmann.
Der Tierrechtler hat einen gewissen Ruf: Im Allgäu sind seit August Videodokumente über gravierende Verstöße gegen Tierwohlbestimmungen an mittlerweile sechs Milchviehbetrieben aufgetaucht. Die Ermittlungen laufen noch. Öffentlich gemacht hatte die Bilder jeweils Hörmann.
Die Streu dampft. Ein Mann, Gummistiefel an den Füßen, geht um das Tier, sticht ihm mit der Forke in den Rücken, in die Oberschenkel. Es rührt sich kaum. Spürt es überhaupt noch etwas? Wer sich auskennt, in Niedersachsens Agrarszene, wird ihn für den Vater des Chefs eines der größten Milchvieh-Unternehmens des Bundeslandes halten.
Alles in allem geht es um 1.500 Rinder, Kühe und Ochsen, von jung bis schlachtreif, verteilt auf mehrere Betriebsstätten in zwei Kreisen südlich von Bremen: Drei in Verden, einer im Kreis Diepholz, der soll der problematische sein. Das ist auch im Agrarindustrieland Nummer eins eine Hausnummer.
Sinnloses Mistschaufeln rund ums hängende Tier
„Wir haben schon eine Masse von Tieren, aber eben keine Massentierhaltung“, hat der Junior, alleinvertretungsberechtigter und persönlich haftender Gesellschafter, mal einem Branchenblatt anvertraut. Die Firma gilt als Vorzeige-Unternehmen. „Unseren Tieren geht es gut.“
Dann ist jenes Kalb eine Ausnahme.
Extravagant ist allerdings auch, was der Mann da tut, in der Box. Er wendet den Mist, schiebt das nasse, kotige Stroh von links nach rechts und von rechts nach links. Einmal schlägt das ganze Tier fast um, da greift er beherzt zu und hält es fest. Sonst wäre der Vorderlauf gebrochen. Neues Stroh wird hier nicht investiert.
„Unser Problem ist“, sagt Landrat Cord Bockhop (CDU), „wir kennen die Bilder nicht.“ Den ganzen Tag über werde man von Presseanfragen heimgesucht, „aber wir können nichts sagen, weil uns die Aufnahmen vorenthalten worden sind.“ Gegeben habe es am 14. April einen anonymen Anruf aufgrund dessen tatsächlich das Veterinäramt ohne vorherige Ankündigung den Betrieb aufgesucht habe.
Spontane Kontrolle
Das kranke Kalb habe man gefunden, „dass Tiere krank sind, kommt wohl vor“, sagt er. Belastende Aufnahmen habe man keine gehabt. Und „alle anderen Vorwürfe haben sich bei dieser spontanen Kontrolle nicht bestätigt“, sagt er. „Wenn da noch verwertbares Material gewesen wäre, hätten wir es gerne gehabt“, so Bockhop. „Wir sind aber daran gehindert worden, unsere Arbeit zu tun.“
Stimmt nicht, sagt Hübner. Er habe sowohl der Staatsanwaltschaft Oldenburg als auch dem Veterinäramt „angeboten, Bildmaterial bereitzustellen“ – in Diepholz per namentlichem Anruf am 16. April. „Das war aber offenbar nicht erwünscht.“
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