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Neues Album von Rapcrew TiefbasskommandoPubertät war gestern

Immer schön provokant: Die Berliner HipHop-Crew Tiefbasskommando feiert mit dem Album „Vol. 5“ basslastigen Rap und politische Reime.

Flexen mit Masken: Tiefbasskommando in Aktion Foto: Marshl Ceron

Fulminantes Ende: „18 Uhr Treffen / Aber nicht zum Sandmann / Achtzehn Gramm Peppen / das schon mal ein Anfang“, reimten Tiefbasskommando zum Finale ihres letzten Albums, veröffentlicht 2023. Wie man jetzt weiß, ging jenes Treffen fast ewig weiter.

Inzwischen ist auch klar warum, die Session hat ordentlich geknallt. Mit dem neuen Werk, „Vol. 5“, führt die Berliner Rapcrew ihr abgründiges Projekt als HipHop-Gesamtkunstwerk fort. Zwischen Happy-Hour-Frohlocken und After-Hour-Euphorie schleicht sich jetzt eine dritte Party-Dimension ein: Der Rausch wird wütend.

Von einem martialisch-maschinellen Beat getragen, beginnt „Vol. 5“: „Keine Worte und kein Shake-Hands / Und sicher kein Pardon / Du hast Probleme mit Drogen / Meld dich beim Don“, fordert Rapper Don Juan frech im Intro. „Es ist Tape Volume fünf, es geht übertrieben hart“, Rapperin $hoki setzt noch einen obendrauf.

Mit Haltung, ohne Faxen

Tiefbasskommando (TBK) besteht aus den Rap­pe­r:in­nen Eisberg, Double G, Shoki, Don Juan und MC Kneipenkrieger, dem Beatschmied Retado und dem Videografen Downtown Destruction. Das Kollektiv steht mittlerweile an der Spitze einer Rap-Generation die Antiästhetik und No-Nonsens-Haltung lustvoll vereint.

Das Album und die Tour

Tiefbasskommando: „Vol. 5“ (Downtown Destruction Production/Zebralution)

Live: Tourstart am 6. November 2025

TBK stellt unter Beweis: Rappen über einen entgrenzten und bewusst kaputten Lebensstil findet den Weg in den Mainstream. In „Style gebietet“ beansprucht man daher einen Platz am oberen Ende der Hackordnung, schließlich will man Primus inter Pares sein: „Und wir sind drinne seit fünf Jahren / Plötzlich tragen alle Maske / Rappen auf Elektrobeats / Nehm’n Pillen / Zieh’n Paste“, proklamiert Double G enthusiasmiert.

Im Gespräch mit der taz relativiert der Rapper: Also, wir haben das Rad nicht neu erfunden. Es ist einfach nur lustig, wenn wir feststellen, seitdem wir das machen, tun das andere auch wieder.“ Tiefbasskommando sind also nolens volens zu Trendsettern geworden. Double G spricht sogar von einer Renaissance des basslastigen Berliner Untergrund-HipHop-Sounds der nuller Jahre, die sie eingeläutet haben.

Den Stumpfsinn aushalten

Und wie: „Steinzeit“ ist eine Hommage an die Hyperprimitivität. Wie ein quer auf dem Gehweg stehen gelassener E-Roller wird die Geduld der Hö­re­r:In­nen mit einem Hyperpop-Beat enorm strapaziert. Tiefbasskommando erforschen als eine Art Experiment, wie viel Stumpfsinn aushaltbar ist.

„Uga-Aga, ich bin völlig durch den Wind“, der Reim spricht für sich. Jedoch: In den vergangenen zwei Jahren hat TBK anscheinend erkannt, dass Hedonismus und Antihaltung alleine nicht auf Albumlänge tragen.

Nun also wird es explizit mit dem Song „Schade Deutschland“. Er enthält die bisher straighteste Aussage der Rapper. Im Œuvre von TBK gab es bis dato nichts mit mehr gesellschaftlicher Relevanz. Auf übersteuerten Beats und wütenden Reimen, mit Anflügen von Punkraserei wird dieser Refrain ad infinitum wiederholt: „Schade Deutschland / Alles muss kaputt / Alles muss kaputt / Ihr habt es so gewollt“.

Der aktuelle Scheiß

Der Rant markiert eine Neuausrichtung. Weg von nihilistischer Ästhetik hin zu einer agitatorischen Haltung. Der Text richtet sich konfrontativ gegen Alte und Neue Rechte, Polizei und (Alb-)Träume vom Vaterland. „Man wacht auf und ist einfach gottlos konfrontiert mit dem aktuellen Scheiß, der abgeht. Ich glaube, daher kommt das. Für mich würde es sich jetzt irgendwie komisch anfühlen, sich gar nicht mit dem Rechtsruck auseinanderzusetzen“, sagt Retado der taz.

Im Song spielt TBK poetisch mit einer romantischen Krawallironie, die ganz ähnlich auch bei den Konkurrenten von K.I.Z im Portfolio ist. „Im Stu gibt es Kapseln und lecker Bierchen zum Abendbrot / Danach geh’ ich raus und schlag’ natürlich keine Nazis tot“, reimt Eisberg, und beißt sich beim Rappen herrlich auf die Zunge. Konkrete Aussagen kennt man von TBK bisher eher als Subtext – diesmal klingt es super glaubwürdig, direkt und ohne doppelten Boden.

Die Berliner erkennen die Zeichen einer Zeit, in der die Brandmauer bisweilen schon gefährlich wankt und rechte Rat­ten­fän­ge­r:In­nen ihre Hände nach jungen Leuten ausstrecken. Menschenverachtende Politik und hohle rechte Parolen sind so was von cringe. „Es tut mir nicht leid / Dinge, sie passieren / Alice, ich werd’ dir dein Nasenbein nach innen installieren“. Der Text ist selbstverständlich keine Handlungsanleitung für den Umgang mit Alice Weidel, sondern eine Fantasie wie in einem Italowestern mit Lee Van Cleef. TBK spielen auf ihrer kommenden Tour einen Gig im thüringischen Sonneberg, wo ein AfD-Landrat im Amt ist. Alle Erlöse werden antifaschistischen Projekten in der Region gespendet.

Erst glotzen, dann pennen

Auf politisch unterfütterte Wut in „Schade Deutschland“ folgt die gewohnt kantige TBK-Überzeichnung. „Bürgergeld“ widmet sich einem anderen Feld gesellschaftlicher Zumutung: steigende Armut, stagnierende Reallöhne und allgegenwärtiger Leistungsdruck. Provokant wird mit Klischees gespielt: „Glotz den ganzen Tag TV / Und danach penn ich weg“.

Flankiert wird das schiefe Bild vom Müßiggangster mit der konservativen Leier von angeblich „faulen“ Bür­ger­geld­emp­fän­ge­r:in­nen. Kürzlich hat der CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz den Deutschen vorgeworfen, zu wenig zu arbeiten. Da wirkt der Song „Bürgergeld“ als Comic-Relief. „40 Stunden Woche ackern für’n paar warme Mahlzeiten / Als ich klein war, schwor ich mir / Gehe niemals arbeiten“, reimt Don Juan mit gespielter Wonne.

Wichtig sind jetzt Konzerte gegen rechts: Ob vor 18.000 im Görlitzer Park oder auf dem flachen Land

Zur Aktendeckelhaftigkeit des amtierenden Kanzlers hat das Tiefbasskommando auch eine Meinung: „Merz hat einfach keine Antworten auf drängende Probleme“, erklärt Don Juan der taz. „Als Führungsperson ein Auslaufmodell“, ergänzt Retado. Sanktionen durch Sozialämter, gesellschaftliche Stigmata, das Abstempeln von Arbeitslosen als notorisch faul ist falsch, sie schieben mitnichten eine ruhige Kugel. „Dicka, ­Bürgergeld, das ist wirklich nix für schwache Nerven“, rappt Double G und bringt das mühsame Dasein ohne Job auf den Punkt.

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Tiefbasskommando „Kein Zufall“

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Größere Reichweite

Es sind solche Aussagen über gesellschaftliche Schieflagen, wie Armut im reichen Deutschland, die dem Tiefbasskommando zu noch größerer Reichweite verholfen haben. Das Kollektiv wächst allmählich heraus aus der Rolle des Underdogs. Das zeigen die riesigen Bühnen, auf denen die Gruppe inzwischen gastiert – unter anderem beim Hurricane-Festival in Scheeßel oder im Velodrom in Berlin – aber auch, dass „Vol.5“ sofort auf Platz 6 der deutschen Albumcharts eingestiegen ist.

„Ich verstehe gar nicht, warum es bei den Leuten ein Anspruch sein soll, Untergrund zu bleiben. Ist doch schön, wenn man irgendwann von der Mucke leben kann“, stellt Don Juan klar. „Wir sind nicht Untergrund, wir sind Independent“, fügt Double G hinzu. Unabhängigkeit von Major Labels sei der Gruppe am wichtigsten.

Auf „Retox“ (2023) wurde sich noch „eingekackt“ und in die Ecke gekotzt. Pubertät war gestern. 2025 spielt das TBK Gratis-Konzerte gegen rechts, ob vor 18.000 im Kreuzberger Görlitzer Park oder in Hochburgen der AfD auf dem flachen Land. In den Reimen von „Vol. 5“ mag es zwar keine messerscharfen Gesellschaftsanalysen geben. Dafür bleibt Systemkritik Marke TBK im Style: Übertrieben, nihilistisch und provokant.

Das ist schon mal gut. Und eine noch bessere Nachricht zum Schluss: Laut Tiefbasskommando sei „Vol. 5“ musikalisch noch das Mildeste“. Das kann ja noch heiter werden und deshalb bleiben wir definitiv dran!

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