Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt: Biegsam, kreativ und machthungrig
Das ist historisch: Die Linke wählt CDU-Mann Voigt zum Ministerpräsidenten. Der Wagenknecht-Faktor bleibt ein Risiko für das Zweckbündnis.
V on der Ministerpräsidentenwahl im Februar 2020 in Thüringen blieb ein ikonisches Bild: Wie die Linke Susanne Hennig-Wellsow dem mit den Stimmen der AfD gewählten FDP-Mann Thomas Kemmerich ihren Blumenstrauß vor die Füße schmeißt. Am Donnerstag ging ein gänzlich anderes Foto durchs Land: Bodo Ramelow, der bisherige Ministerpräsident von den Linken, gratuliert seinem Nachfolger Mario Voigt von der CDU und lacht dabei.
Anders als die CDU 2020, die für das Kemmerich-Debakel mitverantwortlich war, hat die Linke diesen Donnerstag die richtige Konsequenz aus der prekären Lage im Thüringer Landtag gezogen. Dort ist die rechtsextreme AfD stärkste Kraft. Die Linke hat dem CDU-Mann Voigt im ersten Wahlgang zu einer klaren Mehrheit verholfen – und damit der AfD die Chance für ihre Spielchen mit der parlamentarischen Demokratie genommen. Dafür wird die Linke regelmäßig in die Beratungen der Brombeerkoalition einbezogen. Auch das ist richtig. Zum Nulltarif gibt es nun einmal keine Zustimmung.
Christdemokrat Voigt ist damit ein ziemliches Kunststück gelungen: Mit viel Kreativität und Biegsamkeit sowie einem großen Willen zur Macht hat er die CDU in Thüringen zurück in die Regierung gebracht. Mit einer Koalition, die im Landtag nur die Hälfte der Stimmen, also keine eigene Mehrheit hat, und mit einem Beschluss seiner Bundespartei, der die Zusammenarbeit mit der Linkspartei untersagt. Voigts Parteifreund Michael Kretschmer, der das Ganze in Sachsen noch vor sich hat, dürfte ihn darum beneiden.
Unsicherheitsfaktor Wagenknecht
Der Preis dafür ist allerdings hoch. CDU und SPD sind ein Bündnis mit dem jungen BSW eingegangen; ob das zu stabiler Regierungsarbeit in der Lage ist, ist völlig offen.
Unklar ist auch, inwieweit Namensgeberin Sahra Wagenknecht versuchen wird, in die Erfurter Koalition hineinzuregieren, wie sie es bei Formulierungen in Sachen Frieden, Waffenlieferungen und der Stationierung von Mittelstreckenraketen bereits getan hat. In der Präambel des Koalitionsvertrags wird dem BSW nun ein „kompromissloser Friedenskurs“ in Abgrenzung zu den Koalitionspartnern bescheinigt.
Mit dem BSW verhilft die CDU einer russlandfreundlichen und populistischen Partei an die Macht. Besonders in der West-CDU gibt es viele Mitglieder, die das für einen Sündenfall halten. Kanzlerkandidat Friedrich Merz könnte das noch auf die Füße fallen. Und Voigt selbst ist jetzt zwar gewählt; ob er mit Stimmen der Linken und ohne AfD einen Haushalt beschließen und das Programm der Brombeerkoalition durchsetzen kann, muss er erst noch beweisen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen