Aktivisten-Urgestein Thilo Bode: „Es geht nicht ohne Konflikte“
Foodwatch-Gründer Thilo Bode rechnet beim taz Talk mit NGOs und Zivilgesellschaft ab. Staat und Wirtschaft hätten von ihnen nichts mehr zu befürchten.
Wie wird man professioneller Aktivist? Aus Überdruss. Jedenfalls erzählt Thilo Bode, ehemaliger Geschäftsführer von Greenpeace und Gründer der Ernährungs-NGO Foodwatch, das so in eigener Sache. „Es war mir auf Dauer zu einseitig, Metallrohre zu verkaufen“, sagt das aktivistische Urgestein am Mittwochabend in der taz Kantine, wo er beim taz Talk sein neues Buch Resist! Aufruf zum Widerstand vorstellt, eine Art lebensaktivistische Bilanz.
Der Titel springt ins Auge. Bode versteht ihn als Aufruf an die Zivilgesellschaft, ihre Kontrollfunktion ernst zu nehmen. Demokratie bestehe nicht nur aus Wahlen, sondern auch aus der Zeit dazwischen, in der man der Regierung auf der Finger schauen müsse. Der Moderator, taz-Redakteur Jan Feddersen, vermutet harte Verhandlungen mit dem Verlag über diesen Titel. Und liegt richtig. Der Verlag sei nicht begeistert gewesen, als Bode kurz vor Abgabe des Manuskripts mit dieser Idee um die Ecke kam.
Doch er hat sich offensichtlich durchgesetzt. Diese Unnachgiebigkeit illustriert seine grundsätzliche Botschaft. In seinem Buch kritisiert Bode, dass Zivilgesellschaft und NGOs zu zahm gegenüber Staat und Konzernen geworden seien. Grund dafür sei die Abhängigkeit von staatlichen Zuwendungen, die verhindere, dass Druck ausgeübt werden kann.
Bode kontrastiert diese zahme Gegenwart mit seiner eigenen, konfrontativ orientierten Vergangenheit. Als Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland habe man in den 1980er-Jahren etwa die Produktion von FCKW gestoppt. Unter dem Slogan Alle reden vom Klima, wir ruinieren es veröffentlichte man riesige Poster mit den Konterfeis der verantwortlichen Unternehmer der ökoruinösen Gerätschaften, die bis dahin auf dem Markt angeboten wurden.
Thilo Bode
Die Kampagne hatte persönlichkeitsrechtliche Schritte der Unternehmer zu Folge, Greenpeace setzte sich letztinstanzlich vor dem Bundesverfassungsgericht durch. Viel wichtiger aus Bodes Sicht: Die Produktion von FCKW wurde verboten.
Verzicht auf staatliche Zuwendungen
Wenn Bode heute auf die jüngste Weltklimakonferenz in Belém schaut, ärgert ihn das Vorgehen der NGOs. Nur weil man gemeinsam mit Staatenlenkern und Konzernen an einem Tisch sitze, habe man noch lang keinen echten Einfluss. „Mit Unternehmen kann man nicht reden!“ Man sitze mit ihnen nicht ohne eigene Bewegungsmacht am Tisch, macht er deutlich. Seine Nachfolger bei Greenpeace würden ihn beschwichtigen, „das Schlimmste habe man verhindern können“ und tue es noch.
Doch die mauen Ergebnisse dieser Konferenz scheinen Bode recht zu geben. Aber was ist seine Lösung? Bode fordert den Verzicht auf staatliche Zuwendungen, verbunden mit größerer Distanz zu Staat und Wirtschaft. Infolge des von öffentlichen Mitteln geförderten Wachstums vieler Organisationen hätten sich große Mitarbeiterstäbe entwickelt, deren Fortbestehen man nicht durch konfrontatives Agieren gefährden wolle. „Diese Angestellten müssten gehen. Die Organisationen werden dann stärker, weil sie wieder kritisieren könnten.“
Anekdotenreicher Abend
Aber weil es an diesem Abend auch um ein Lebenswerk geht, wird auch die eine oder andere Anekdote zum Besten gegeben. Etwa als Bode mit Renate Künast, damals grüne Landwirtschaftsministerin unter dem SPD-Kanzler Gerhard Schröder, aneinandergeriet. Künast förderte die aufkeimende biologische Landwirtschaft, Bode aber wollte die gesamte Landwirtschaft ökologisieren, anders würde die Agrarwende nicht klappen. „Es hat sich bewahrheitet“, meint er heute.
Resist! Aufruf zum Widerstand. Erinnerungen eines politischen Aktivisten. Deutsche Verlags-Anstalt, 304 Seiten. 26 Euro.
An Ende dieses Abends auf der Bühne der taz Kantine merkt man: Die Altersmilde ist nicht Bodes Sache. Stattdessen predigt er: „Es geht nicht ohne Konflikte“.
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