Theatervorschau für Berlin: Die Trauer als Vogel
Biografischer Zerfall, eine verstorbene Frau, die plötzlich als Krähe vor der Tür steht und Körper, die sich ihren Weg durch die Dystopie bahnen.
V ielleicht muss ich hier zuallererst von Theater in der Ukraine berichten. In den ersten Tagen des Krieges waren die Theater zu Notunterkünften für Geflüchtete aus Kampfgebieten und Menschen geworden, deren Häuser von Bomben zerstört wurden. In Kiew wurde Requisiten-Flaschen zu Molotow-Cocktails umgebaut und die Kostümabteilungen nähten Tarnnetze. In der unter starkem Bombardement stehenden ostukrainischen Stadt Kharkiv leisteten Theaterleute humanitäre Hilfe, retteten Leute aus Kellern zerschossener Häuser und verteilten Essen und Medikamente. Einige von Ihnen sind inzwischen aus der weiterhin stark umkämpften Stadt geflüchtet.
„Auslöschung. Ein Zerfall“ passt vom Titel am besten in dieses Szenario. So ist die neue Inszenierung von Karin Henkel im Deutschen Theater überschrieben, nach dem letzten Roman des österreichischen Schriftstellers Thomas Bernhard. Darin geht es allerdings um die Auslöschungsarbeit, die ein Mann an seiner für ihn unerträglichen Herkunft und allen inneren Verbindungen zu seiner Familie betreibt, die von Naziverstrickungen, Bigotterie und stickigem Katholizismus geprägt ist (Deutsches Theater: „Auslöschung. Ein Zerfall.“, ab 11. März, 19 Uhr).
„Trauer ist das Ding mit Federn“ heißt ein preisgekrönter Roman des britischen Schriftstellers Max Porter, in dessen Zentrum ein Vater mit zwei Kindern steht, vor dessen Haustür kurz nach dem Tod seiner Frau und Mutter seiner Kinder eine schwarzer Krähe steht: als Verkörperung der Trauer und ihrer Bezwingerin zugleich. Matthias Buss, Maximilian Grill und Sabrina Zwach haben aus dem Stoff ein Stück gemacht, das am 11. März im Theaterdiscounter herauskommt (TD Berlin: „Trauer ist das Ding mit Federn“, ab 11. März, 20 Uhr.)
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Im HAU4, der digitalen Spielstätte des Hebbel am Ufer findet am 8. März die Videopremiere von RA Waldens „Science Fiction is not pretended“ statt. Die Ankündigung liesst sich wie ein Kommentar auf unsere Zeit: „… eine Flut düsterer Zivilisationsbilder: Das Wasser brennt, der Untergrund gerät ins Wanken, Tiere werden zu Hackfleisch verarbeitet. Jeden Tag ein Buffet des Grauens, ein Sammelsurium schauerlicher Freuden. Einsamkeit, Verheißung, Verlangen und fruchtbare Erde. Fehlbare Körper, die unter dem Gewicht des Weltendes wild um sich schlagen.….“ (HAU4: „Science Fiction is not pretended“, 8. März, 19 Uhr, Eintritt frei).
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