Thailands Monarch in Bayern: Der Kunde ist König
Der thailändische König lässt es sich in Oberbayern gut gehen. Gilt für ihn die Corona-Einschränkung von Bewegungs- und Reisefreiheit nicht?
Von Zürich aus fliegt am Sonntagnachmittag dann eine Maschine der Thai Airways mit der Flugnummer TG971 nach Bangkok, die Montag früh ankommt und Montagnacht wieder zurückfliegt. Der Flughafen in Bangkok ist seit Tagen komplett gesperrt. Der internationale Flugbetrieb von Thai Airways ist wegen der Corona-Epidemie vollständig eingestellt.
Warum also flog TG971 überhaupt, und wer saß in dieser Maschine? Jemand mit viel Geld, Wichtigkeit oder Diplomatenpass? Gar der König Maja Vajiralongkorn Bodindradebayavarangkun selbst? Und kam er nach seinem Thailand-Tagestrip anschließend wieder nach Deutschland?
In der EU herrscht derzeit striktes Einreiseverbot für Nicht-EU-Bürger. Ausnahmen sind lediglich ein „längerfristiges Aufenthaltsrecht in der EU“ oder ein „dringender Einreisegrund“ wie Beerdigung oder Gerichtstermin. Sollte König Vajiralongkorn Anfang der Woche also tatsächlich einen Ausflug nach Thailand unternommen haben, hätte er von der Einreise nach Deutschland abgehalten werden müssen. Es sei denn, für ihn gelten andere Regeln.
Der König lebt gern in Bayern
Der 67-jährige Monarch besitzt in Bayern unter anderem zwei Villen am Starnberger See, weshalb er hier auch den Spitznamen „Thai-Kini von Tutzing“ trägt. Eine Anspielung auf den „Kini“ genannten, berühmtesten König von Bayern, Ludwig II., der ebenfalls an diesem See ein Refugium fand.
Der Thai-Kini hätte einigen Grund gehabt, am Montag zu Hause zu sein. Also in Thailand. Denn am 6. April ist dort Chakri-Tag, der Geburtstag der thailändischen Monarchie, an dem Rama I. gedacht wird.
Rama X., wie der offizielle Titel von Vajiralongkorn alias Thai-Kini lautet, hätte dafür allerdings seinen Aufenthalt im Grand Hotel Sonnenbichl im südbayerischen Garmisch-Partenkirchen unterbrechen müssen. Dort residiert der schräge Vogel bereits seit einigen Jahren immer wieder mit seinen über hundert Dienern, Leibwächtern und Konkubinen. Seit Corona mit Sondergenehmigung vom Landratsamt Garmisch-Partenkirchen.
Dienstag, 10 Uhr: In einer halben Stunde etwa soll Flug TG 971 mit Vajiralongkorn an Bord in Zürich landen. Unterdessen herrscht in Garmisch-Partenkirchen, der Stadt mit Hitlers Olympiaschanze, gähnende Leere. Vor einem Bäcker stehen ein paar Menschen. Niemand von ihnen hat den König schon mal gesehen. Eine 32-jährige Studienrätin erzählt, dass niemand hier ein Problem damit habe, dass er das Sonnenbichl belege. Schließlich gehöre ihm doch das Hotel. „Stimmt nicht“, entgegnet der 80-jährige Klaus, der sich als „Hobbyphilosoph“ vorstellt und auf einer Bank vor der Alten Apotheke sitzt, die im imposanten „Empirestil“ gebaut ist. „Das Sonnenbichl gehört einem Scheich“, sagt Klaus.
Der sehr beredte Picassomützenträger hat noch mehr Royal News auf Lager: „Der Thai-König führt sich auf wie König Ludwig XIV.“ Dann zitiert er noch Kant, Demokrit und den russischen Zukunftsforscher Leo Nefiodow, bevor er seine Buddha-Statue erwähnt und mir einen Tipp gibt, wie man an der Hotelrezeption des Sonnenbichl gut ankommt: „Sagen Sie ‚sawat di kha‘, wenn da eine Frau sitzt, und ‚sawat di khrap‘ für alles andere.“
Gegen 10.45 Uhr am Flughafen Zürich: Ein von Bild beauftragter Fotograf, der Vajiralongkorns Ankunft dokumentieren soll, wird von der Schweizer Polizei festgenommen.
Gegen 12.30 Uhr: Vor dem Sonnenbichl, das am nördlichen Ende von Garmisch liegt, haben RTL und Bild ihre Kameras aufgebaut. Der Himmel ist königsblau, die Sonne scheint. Das 4-Sterne-Hotel sieht nicht sehr royal aus: ein schlichter gelber, fünfgeschossiger Bau mit einem an ein Puffschild erinnernden blauen Schriftzug „Grand Hotel Sonnenbichl“. Nur der Blick von hier aus auf die Alpen ist majestätisch.
Den Bichl hoch
Einen kleinen Hügel, einen Bichl eben, muss hoch, wer zur Rezeption des Hotels möchte. Ein Mann in schwarzer Funktionskleidung und Schnurrbart kommt mit eiligen Schritten herunter. Kurz bevor ich „sawat di khrap“ sagen kann, sagt er zu mir: „Ich muss Sie bitten, das Gelände sofort zu verlassen.“ – „Ich bin Journalistin von der taz und habe eine Frage.“ – „Ich beantworte keine Fragen. Gehen Sie.“ – „Arbeiten Sie für das Hotel oder für den König?“ – „Für das Hotel. Gehen Sie jetzt!“
Vajiralongkorn ist der reichste Monarch der Welt, seinen Zwergpudel Fufu ernannte er zu einem General der Luftwaffe, er heiratete Kellnerinnen und Stewardessen, machte seine Leibwächterinnen zu Nebenfrauen, und wenn eine Ehe scheitert, wird die Familie der Verstoßenen aus dem Land gejagt oder ins Gefängnis geworfen. Auf Majestätsbeleidigung stehen bis zu 15 Jahre Haft.
70 Jahre lang war Vajiralongkorns Vater, König Bhomibol, als Monarch tätig. Kurz vor seinem Tod 2016 wurde sein Thronfolger auf dem Flughafen in München fotografiert: bauchfreies Tanktop, Schlabberbauch, Schlabberjeans, Trekkingsandalen, tätowierte Arme und tätowierter Rücken. Eine Münchner Thai-Restaurantbetreiberin, die ich abends beim Essenholen nach Rama X. frage, schüttelt den Kopf. „Um König zu sein, muss man früh aufstehen“ und fasst sich dabei ans Herz. Rama X. genieße lieber seine Freizeit.
Dem sowieso schon recht ramponierten Image von Vajiralongkorn dürfte der Aufenthalt in Bayern zu Coronazeiten nicht förderlich sein: Thailands Wirtschaft droht wegen des ausbleibenden Tourismus ein Kollaps.
Er geht gern in Gartencenter
Nach allem, was man so weiß, pflückt Vajiralongkorn in Bayern aber nun mal sehr gern Erdbeeren, fährt Fahrrad und besucht Gartencenter und Flohmärkte. Im Münchner Flughafenhotel Hilton hatte er jahrelang 130 Zimmer gemietet, im Sonnenbichl angeblich seit 2016 nicht nur die König-Ludwigs-Suite, sondern über 100 von 150 Zimmern.
Derzeit ist es keinem Hotel in Bayern erlaubt, Zimmer an Touristen zu vermieten. Der Pressesprecher des Landratsamts teilte der taz mit, dass die Sondergenehmigung für den König nur erlassen worden sei, weil „davon auszugehen ist, dass sich der König von Thailand zu geschäftlichen und/oder nicht privat touristischen Zwecken im Grand Hotel Sonnenbichl aufhält“. Dass sich der Thai-Kini hier allerdings seit Jahren aus privaten Gründen aufhält, ist für niemanden ein Geheimnis.
Hält sich Vajiralongkorn also privat in einem Hotel auf, das er derzeit nur für Geschäftszwecke nutzen dürfte? Und wie kann es sein, dass seine private Boeing trotz Ausgangsbeschränkungen in den letzten Wochen kreuz und quer durch Deutschland und in die Schweiz flog? Die unklare Lage, was den Status von Rama X. betrifft, deutet darauf hin, dass der König in Bayern einige Narrenfreiheit zu besitzen scheint, während die Bürger in diesem Bundesland um die Freiheit kämpfen, auf einer Parkbank sitzen und ein Buch lesen zu dürfen.
Gegen 12.45 Uhr: Vor dem Sonnenbichl taucht eine ältere Frau mit weißem Haar und Hundeleine um den Hals auf. Sie ist völlig aufgelöst: „Haben Sie einen weißen Hund gesehen? Ich hab den doch nur zur Betreuung, und jetzt ist er mir weggelaufen.“ Ist es des Königs Pudel? „Ich hab den König schon gesehen, ja. Aber heut noch nicht“, sagt sie und geht.
Gegen 12.50 Uhr: Während einer Erkundungsrunde ums Sonnenbichl werde ich von einem orangefarbenen Peugeot verfolgt und beobachtet. Des Königs Sicherheitspersonal?
Hubschrauber über der Stadt
Gegen 13 Uhr: Nördlich des Hotels ist ein Helikopter zu hören. Bald darauf fliegen vier Hubschrauber hintereinander am Hotel vorbei und landen auf der anderen Seite der Stadt, etwa auf Höhe der Olympiaschanze. Des Königs Hubschrauber? Auf dem Flugradar sind sie nicht verzeichnet. Zu erkennen sind die Farben Blau und Silber. Bayerische Polizeihubschrauber? Oder die ebenfalls blau und silbernen Helikopter der Royal Thai Airforce?
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Gegen 14 Uhr: Der seit Stunden vor dem Sonnenbichl stehende und Patrouille fahrende schwarze Mercedes-Van mit den getönten Scheiben und einer Ladung schwarz gekleideter asiatisch aussehender Menschen mit Mundschutz, Sonnenbrille und Headset schleicht vorbei. Er hält. Ein Ablenkungsmanöwer? Tatsächlich fährt jetzt ein zweiter dunkler, größerer Van mit getönten Scheiben die Hotelauffahrt hoch und kommt nicht mehr runter. War er da drin?
Es werden an diesem Tag noch ein Müllschlucker, ein Sattelschlepper, diverse Handwerksbetriebe und ein Polizeiauto die Auffahrt hochfahren. Sonst niemand.
Gegen 14.15 Uhr: Zwei Polizisten fahren vor. „Guten Tag. Gegen Sie liegt eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs vor. Wir müssen Ihre Personalien feststellen.“ Die Beamten berichten, dass der Besitzer des Hotels offenbar kein Verständnis für die Arbeit der Journalisten habe und ständig anrufe, was sie auch nicht lustig fänden. Wenig später zieht der Besitzer die Anzeige gegen mich zurück, erklärt aber sämtliche taz-Mitarbeiter*innen auf seinem Hotelgelände für unerwünscht.
Gegen 14.30 Uhr: Die vier Helikopter steigen auf der anderen Seite der Stadt auf, fliegen am Sonnenbichl vorbei und verschwinden am Horizont. Das Polizeipräsidium Bayern Süd bestätigt der taz, dass an diesem Tag keine Polizeihubschrauber über oder in Garmisch waren.
„Er ist wieder da“
Ein Fahrradfahrer kommt vorbei, erzählt, dass die Securitys ihn von seiner Strecke hinter dem Hotel verscheucht haben. „Scheinbar ist er wieder da“, sagt er wütend.
Ist er wirklich wieder da? War er überhaupt weg? Ist er illegal eingereist? Eine Anfrage zu den Reisetätigkeiten und dem Aufenthaltsstatus des Thai-Kinis in Deutschland beim Bundesministerium des Innern wird mit einem einfachen Satz beantwortet: „Unserem Haus liegen dazu keine Erkenntnisse vor.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen