Thailand vor Parlamentswahlen: Milliardenschulden für Reisernte
Wenige Tage vor der Wahl steckt Thailands Regierung in der Klemme: Sie hat versprochen, die Reisernte für zwei Milliarden Euro zu kaufen. Zahlen kann sie aber nicht.
BANGKOK dpa | Seit Wochen setzen Massendemonstrationen in Bangkok die thailändische Regierung massiv unter Druck - jetzt muss Regierungschefin Yingluck Shinawatra noch an einer weiteren Front auf dem Land kämpfen: Mehr als eine Millionen Reisbauern sind wütend, weil sie seit Monaten auf Geld von der Regierung warten. Der Staat schuldet ihnen rund 100 Milliarden Baht (2,2 Milliarden Euro).
Yinglucks Partei hatte die Wahlen 2011 mit dem populistischen Versprechen gewonnen, die gesamte Reisernte der Bauern aufzukaufen. Dafür wollte die Regierung einen festen Preis über dem Marktwert zahlen. Doch ihre Rechnungen für die Haupternte im vergangenen Oktober hat die Regierung größtenteils noch nicht beglichen.
Das Reis-Fiasko dürfte Yinglucks Partei bei den Neuwahlen am 2. Februar Probleme bereiten. „Die Bauern stehen der Abstimmung teilnahmslos gegenüber“, sagt Banjong Phichitwilailert, ein Gemeindechef der nordthailändischen Provinz Phichit. „Die Kandidaten haben hier nicht einmal Wahlkampf gemacht, weil sie fürchteten, dass sie unsere Fragen nicht beantworten könnten.“ In Pichit muss der Staat noch 40.000 Bauern Geld zahlen.
In der Nachbarprovinz Phitsanulok haben die Landwirte der Regierung ein Ultimatum gestellt. „Freitag werden wir uns mit dem Gouverneur treffen“, sagt Piak Phusrithaet, ein Vertreter der Bauern aus Phitsanulok. „Wenn er uns dann nicht die Zahlung garantiert, machen wir entweder die Verwaltung dicht oder marschieren nach Bangkok. Wir warten seit vier Monaten auf unser Geld.“
Neun Milliarden Euro in zwei Jahren
Yinglucks amtierende Regierung versucht, Bankkredite zu bekommen, um die Bauern noch vor den Wahlen auszuzahlen. Beobachter bezweifeln allerdings, dass sie den vollen Betrag so schnell aufbringen kann. Wirtschaftsexperten zufolge hat der Reis-Ankauf der Regierung in den ersten zwei Jahren Verluste von knapp neun Milliarden Euro beschert.
Im Raum stehen auch Korruptionsvorwürfe, die die nationale Antikorruptionsbehörde NACC gegen den früheren Handelsminister Boonsong Teriyaporn und 14 weitere Beamte erhoben hat. Am Mittwoch eröffnete sie ein Ermittlungsverfahren. Sollten sich die Vorwürfe erhärten, könnte Yingluck und weitere Politiker ein Amtsenthebungsverfahren erwarten. Laut NACC-Untersuchungen gibt es keine Beweise, dass Thailands Regierung - wie von ihr behauptet - mehrere Millionen Tonnen Reis direkt an die chinesische Regierung verkauft hat.
„Das Reis-Aufkaufprojekt war unsere Politik, um die Bauern zu unterstützen“, rechtfertigte Yingluck kürzlich den Reisankauf. Zweifellos half dieser armen Bauern, ihr Einkommen aufzubessern, solange bezahlt wurde. Kritiker glauben aber, dass sich auch bestechliche Politiker und ihre Kumpane die Taschen gefüllt haben.
Thailands Reisexporteure konnten im vergangenen Jahr sieben Millionen Tonnen Reis auf den Märkten im Ausland verkaufen - und das, obwohl die Regierung das Grundnahrungsmittel als Monopolist zuvor für Preise von 40 bis 50 Prozent über dem gängigen Marktwert erworben hatte. „Woher der Reis kam? Er kam aus der Hand der Regierung“, sagt Vichai Sriprasert, der Ehrenpräsident des Verbands thailändischer Reisexporteure.
Für die Regierung ist es schwieriger geworden, Kredite aufzunehmen, um die Bauern zu bezahlen. Die Verfassung setzt ihr bei der Aufnahme neuer Schulden Grenzen. Für ihre Unfähigkeit, das Geld aufzutreiben, macht die Regierung das Chaos der Proteste verantwortlich. Für die Bauern zählt, dass sie immer noch nicht ausgezahlt wurden. „Das ist ihnen eine Lektion“, sagt der Wirtschaftsexperte Nipon Poapongsakorn. „Das nächste Mal, wenn eine Partei mit Populismus auf Wahlkampf geht, werden sie sie fragen, wo sie das Geld herbekommen will.“
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