Textilmuseum in der Lausitz: Das zerrissene Gewebe der Fabriken
Aus dem „preußischen Manchester“ wurde eine sterbende Stadt. Das erneuerte Textilmuseum in Forst soll ein Ort zum Bleiben sein.
Es ist ein Wohlfühltermin, für den die SPD-Ministerin aus Berlin angereist ist. In Forst an der Neiße wird an diesem Donnerstag der Grundstein für den Umbau und die Erweiterung des Brandenburger Textilmuseums gelegt. 7,4 Millionen aus dem Bundesprogramm Nationale Projekte des Städtebaus stehen zur Verfügung.
Auch die Finanzierung einer neuen Dauerausstellung, die 2025 öffnen soll, ist aus Landesmitteln über das Strukturstärkungsgesetz gesichert. Knapp drei Millionen Euro hat das Land Brandenburg bewilligt. Die Gelder für den Strukturwandel in der Lausitz gehen also nicht nur in ehemalige Braunkohlereviere, sondern auch in eine Stadt wie Forst, die als Textilstadt einst das „deutsche Manchester“ genannt wurde.
Aber macht das Sinn, soviel Geld in eine Stadt zu pumpen, die vielleicht gar keine Struktur mehr hat, die sich wandeln kann? 26.000 Menschen lebten 1990 in Forst an der Grenze zu Polen, heute sind es nicht einmal mehr 18.000. Jeder Dritte ist weggegangen.
Gewebe aus Inseln
Man sieht die Lücken, die gerissen wurden, der Stadt förmlich an. Die ehemalige Textilstadt Forst ist wie das polnische Łódź etwas Besonderes. Keinen mittelalterlichen Kern mit Kirche und Marktplatz kann sie aufweisen, eher gleicht sie einem industriellen Archipel. Textilfabriken, Fabrikantenvillen und Mietskasernen bildeten jeweils eng beieinander liegende Inseln, zusammen sind sie ein städtisches Gewebe. Inzwischen ist dieses Gewebe aber so zerrissen, dass es fraglich ist, ob die Stadt überhaupt eine Zukunft hat.
Immerhin soll diese Frage auch im neuen Museum gestellt werden, sagt dessen Leiter Jörn Brunotte. Er erzählt, dass die Themen der neuen Dauerausstellung – Textil, Kohle, sozialer Wandel – einen Bogen in die Gegenwart schlagen sollen. „Aber auch die Zukunft spielt eine Rolle“, sagt Brunotte. „Die Vergangenheit nennen wir Archive und die Zukunft Labore.“
Das denkmalgeschützte Museumsgebäude ist so ein „Archiv“, weil es selbst viel über Forst erzählt. Die dort ansässige Textilfabrik von Daniel Noack ging 1897 an den Start, mit den anderen Fabriken war sie durch die „Schwarze Jule“ verbunden, die Fabrikbahn. Dass diese im Hof des Museums in einem Neubau ausgestellt wird, freut Brunotte.
Lokomotiven in den Straßen
Wie es in Forst aussah, schildert ein Bericht aus dem Jahr 1927: „Ein Wald von Schornsteinen mit langen Rauchfahnen bildet die charakteristische Silhouette dieser Stadt. Lokomotiven durchfahren die Straßen und schleppen Waggon um Waggon, auf Rollböcke gesetzt, in die zahllosen Fabrikhöfe.“ Die fast 40.000 Forster waren stolz auf ihr „Manchester“.
Nicht nur nach Fabrik roch es damals, sondern auch nach Zukunft. Dann kam der Krieg, und 88 Prozent der Gebäude wurden zerstört. Der sowjetische Stadtkommandant wollte Forst sogar aufgeben und zur „toten Stadt“ erklären. Nur den Flüchtlingen aus dem Osten ist es zu verdanken, dass es Forst noch gibt.
Auch Daniel Noacks Fabrik in der Sorauer Straße mit ihrer markanten Klinkerfassade überlebte. Nach dem Krieg wurde der Betrieb als VEB Forster Tuchfabriken wieder aufgenommen. Ab den siebziger Jahren gehörte der VEB zum Textilkombinat Cottbus. Doch nach der Wende war 1992 Schluss. 1995 wurde aus der Fabrik das Textilmuseum, das nun runderneuert wird.
Kann das zerrissene Gewerbe der Stadt wieder zusammenwachsen? Jörn Brunotte hofft es. Zu einer „kulturellen Mitte“ der Stadt will er das Museum machen. Schon im vergangenen Sommer hat er eine Literaturreihe in der „Traumfabrik“, einer Eventlocation in den Ruinen einer benachbarten Textilfabrik, organisiert.
Suche nach bezahlbaren Räumen
Brunotte berichtet von einem Erzählsalon, bei dem ein junger Mann gesagt habe, dass er aus Cottbus komme, dort aber vergeblich bezahlbare Räume für ein Projekt gesucht habe. „In Forst gibt es diese Räume“, sagt Jörn Brunotte. Er glaubt, dass Forst von Cottbus, der großen Gewinnerin des Strukturwandels, profitieren werde.
So sind die Lücken im Gewebe also auch eine Chance. Damit der Strukturwandel ankommt, braucht es Menschen, die in die Stadt kommen. Und es braucht die, die bleiben. Das hat auch viel mit Identität zu tun, weiß der Brandenburger Lausitzbeauftragte Klaus Freytag. „Wir dürfen nicht vergessen, wo wir herkommen“, sagt er. „Die Textilindustrie ist bis heute Teil unserer Geschichte.“
Dass Forst am Rande liegt, will er nicht gelten lassen. „Wir sind mitten in Europa.“ Bei der Grundsteinlegung ist deshalb auch Czesław Fedorowicz dabei. Der Chef der Euroregion Spree-Neiße-Bober glaubt: „Auch viele Polen werden ins Forster Museum kommen.“
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