Urteil zu Kundenbewertungen: Die Meinung ist frei
Händler müssen sich nicht darum kümmern, irreführende Kundenbewertungen ihrer Produkte löschen zu lassen, urteilt der Bundesgerichtshof.
Karlsruhe taz | Wer auf Internet-Plattformen Waren verkauft, haftet in der Regel nicht für den Inhalt von Kundenbewertungen. Nur wenn Gefahren für die Gesundheit drohen, kann den Händler eine Pflicht zur Richtigstellung treffen. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag.
Ein Essener Händler verkaufte auf Amazon so genannte Kinesio-Tapes (auch als „Muskel-Tapes“ bekannt). Früher wurden sie als schmerzlindernd beworben („Kleb den Schmerz einfach weg“). Da sich die Wirkung aber nicht beweisen ließ, gilt solche Werbung inzwischen als irreführend und wettbewerbswidrig. 2013 musste der Essener Händler eine Unterlassungserklärung abgeben.
Bei den Kundenbewertungen seiner Tapes standen aber weiterhin Aussagen wie „Schnell lässt der Schmerz nach“. Der Verband sozialer Wettbewerb (VSW) forderte den Händler daher auf, er solle von Amazon eine Beseitigung solcher Kundenkommentare verlangen. Falls Amazon sich weigere, solle der Händler dort nichts mehr verkaufen. Als der Shop-Betreiber stur blieb, forderte der VSW 4.500 Euro Vertragsstrafe von ihm plus 1.141 Euro Abmahnkosten. Der Händler lasse die Kunden für sich sprechen und mache sich deren Aussagen zueigen.
Das Landgericht Essen und das Oberlandesgericht Hamm entschieden klar gegen den VSW. Kundenbewertungen seien einem Händler nicht zuzurechnen. Im konkreten Fall war auch unstreitig, dass der Händler die Bewertungen nicht veranlasst hatte.
Alles gut, so lange es die Gesundheit nicht gefährdet
In der Revision beim BGH verlangte der VSW vor allem, dass Händler die Kundenbewertungen regelmäßig überprüfen. Sollten Händler dort irreführende Aussagen finden, müssten sie diese selbst richtigstellen.
Das lehnte der BGH nun aber weitgehend ab. Ein Händler habe in der Regel keine Garantenpflicht für die Richtigkeit von Kundenkommentaren. Diese seien von der Meinungsfreiheit geschützt, so der Vorsitzende Richter Thomas Koch. Außerdem sei die freie Diskussion auf Online-Marktplätzen „gesellschaftlich erwünscht“.
Eine Pflicht zur Richtigstellung komme, so Koch, nur dann in Betracht, wenn irreführende Kundenaussagen zu Gesundheitsgefahren führen. Das aber sei nicht zu befürchten, wenn Kunden Kinesio-Tapes ohne Beweis als „schmerzlindernd“ bezeichnen.
Leser*innenkommentare
84935 (Profil gelöscht)
Gast
Ja cool, da kann ich mir als Händler*in mit Fakebewertungen ja die wildesten Werbelügen kaufen, solange es nur keine*r merkt! Wie soll man das als Kunde (oder Gericht) erkennen?
Ich sag nur "Strahlenschutz-Aufkleber für das Smartphone". Bin ich neulich im Netz darüber gestolpert. Echt amüsant und begeisterte Kritiken gibt es natürlich auch.
Sonntagssegler
@84935 (Profil gelöscht) Die andere Seite:
- Wenn Händler die Bewertungen überprüfen sollen, müssen sie diese auch selbst löschen können.
- Damit kann man davon ausgehen, das zutreffende und relevante Kritik ebenfalls verschwindet.
- Wer soll das wiederum überprüfen?
Automatisch "saubere" Bewertungen, die einem das Denken komplett ersparen, wird es nie geben.