Terrorverdächtige AfD-Frau vor Gericht: Alles nur ein „Ammenmärchen“?
Der AfD-Politikerin Birgit Malsack-Winkemann werden im Reichsbürger-Prozess gegen Prinz Reuß Terrorvorwürfe gemacht. Nun weist sie diese zurück.
Die AfD-Politikerin Malsack-Winkemann, Richterin aus Berlin und von 2017 bis 2021 Abgeordnete der Rechtsaußenpartei im Bundestag, ist eine von ihnen. Am Dienstagnachmittag nimmt sie, gerade 60 Jahre alt geworden, am Tisch in der Mitte des eigens für diesen Prozess errichteten Leichtbausaals des Frankfurter Oberlandesgerichts Platz. Sie will sich zu den Anklagevorwürfen einlassen, als Erste im Frankfurter Verfahren gegen die mutmaßliche Führungsriege der Vereinigung. Doch erst einmal schimpft sie.
Es sei „ein Skandal ohnegleichen“, dass sie und ihre Mitangeklagten jetzt schon seit Dezember 2022 in Untersuchungshaft sitzen. Es seien schließlich „überwiegend ältere Mitbürger“. Und einer sei ja sogar noch vor Prozessbeginn gestorben. „Ich weiß nicht, wie viele Tote Sie in diesen Verfahren noch verantworten wollen“, ruft die AfD-Frau. Da weist sie Senatsvorsitzender Jürgen Bonk mit sanfter Stimme zurecht: „Vielleicht sollten Sie mit Ihrer Einlassung zur Sache beginnen.“
Für die AfD-Frau war es nur ein „intellektueller Kreis“
Malsack-Winkemann legt daraufhin erst einmal ausführlich dar, welche der 25 Mitangeklagten sie überhaupt nicht gekannt habe. Wenn man ihr glauben kann, war es die Mehrheit. Mit anderen will sie im Dauerstreit gelegen haben, vor allem mit dem früheren Bundeswehr-Kommandeur Rüdiger von Pescatore – laut Anklage Anführer des militärischen Arms der „Patriotischen Union“ und neben dem Frankfurter Immobilienunternehmer Reuß der mutmaßliche Rädelsführer der Umstürzler*innen. „Herr von Pescatore war von Anfang an mein Gegenspieler in der Gruppe“, sagt sie. „Er wollte mich nicht, ich wollte ihn nicht.“ Noch immer kann sie sich darüber aufregen, dass der Ex-Offizier seinen Gefolgsleuten irgendwann verbot, mit ihr Kontakt zu haben.
Die Bundesanwaltschaft wirft der promovierten Juristin unter anderem vor, dass sie Mitverschwörern das Ausspähen des Bundestags ermöglicht habe, für einen geplanten bewaffneten Überfall. Und im „Rat“, der laut Anklage als Übergangsregierung nach dem Putsch fungieren sollte, sei Malsack-Winkemann für das Justizressort vorgesehen gewesen.
Die Angeklagte weist all das scharf zurück. Die Tour durch das Reichstagsgebäude? „Eine ganz normale Touristenführung.“ Der „Rat“? „Das war eine ziemlich lockere Angelegenheit, ein freundliches Zusammensein“, sagt sie. „Ich habe es als intellektuellen Kreis gesehen.“ Als sie gelesen habe, dass die Bundesanwaltschaft diese von Reuß geleitete Runde für den „Kopf“ einer terroristischen Vereinigung hält, sei ihr „der Mund offen stehen geblieben“.
Auch einen geplanten Bundestagssturm weist sie zurück
„Es gab niemals die Absicht, den Bundestag zu stürmen“, beteuert Malsack-Winkemann. Das sei ein bloßes „Ammenmärchen“, mit dem die Anklagebehörde den Ruf von Menschen wie ihr schädigen wolle. „Es war von Anfang an klar zwischen dem Prinzen und mir: keine Revolution“, erklärt sie. „Er ist ein absoluter Gegner von Revolutionen.“ Reuß habe immer darauf bestanden, dass alles „nach Recht und Gesetz“ vonstattengehen solle.
Was ihn nach den Worten der AfD-Politikerin allerdings ebenso wenig wie sie daran hinderte, auf den Einmarsch der mythenumwobenen „Allianz“ zu hoffen – einer vom antisemitischen QAnon-Verschwörungsglauben herbeihalluzinierten Geheimarmee, welche die Welt von ihren vermeintlich pädophilen Machteliten befreien soll. Wozu zumindest einige der Angeklagten auch die Bundesregierung zählten. Malsack-Winkemann aber betont: „Die Veränderung sollte weltweit eintreten. Das war immer das Entscheidende.“ Und weil es die „Allianz“ gar nicht gebe, sei das alles eine „absolute Chimäre“ gewesen.
Ihr Intimfeind Pescatore habe zwar immer behauptet, Kontakt zur „Allianz“ zu haben. Doch das sei falsch gewesen, sagt die Angeklagte. Malsack-Winkemann scheint es dem Ex-Militär immer noch sehr übelzunehmen, dass er sie und „den Prinzen“ so enttäuscht hat. Am Donnerstag will sie ihre Aussage fortsetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts