Terrorismus in Frankreich: Attentäter nach Anschlägen gefilmt

In St. Denis wurde eine weitere Leiche gefunden. Die Selbstmordattentäterin Hasna Boulahcen wurde erst vor wenigen Monaten radikalisert.

abgesperrte Straße in Saint-Denis

Eine Straße in Saint-Denis nach den Anschlägen. Foto: dpa

PARIS/AULNAY-SOUS-BOIS dpa/afp | Einer der Drahtzieher der Pariser Terroranschläge, Abdelhamid Abaaoud, ist am Abend der Attacken in einer Metrostation östlich der französischen Hauptstadt gefilmt worden. Der Sender BFMTV veröffentlichte am Freitag ein Bild, das den 28-Jährigen am 13. November in der Metro-Station Croix de Chavaux in Montreuil zeigen soll.

Nach Informationen des Senders France Info wurde Abaaoud von einer Kamera der Verkehrsgesellschaft RATP erfasst, als er um 22.14 Uhr die Metro-Station betrat. Kurz zuvor waren Cafés und Restaurants im Osten von Paris attackiert worden.

Unweit der Metro-Station der Linie M9 hatten Ermittler einen schwarzen Seat sichergestellt, aus dem heraus die Attentäter die Cafés und Restaurants beschossen hatten. Der Wagen war von Brahim Abdeslam gemietet worden, der sich bei den Angriffen selbst in die Luft sprengte.

Bei den Anschlägen waren am Stade de France in Saint Denis nördlich von Paris sowie in der französischen Hauptstadt selbst mindestens 129 Menschen getötet worden, darunter auch zwei Deutsche. 352 Menschen wurden teils lebensgefährlich verletzt.

Erste weibliche Selbstmordattentäterin

In der bei einem Anti-Terror-Einsatz gestürmten Wohnung in Saint-Denis nahe Paris ist ein weiterer, weiblicher Leichnam gefunden worden. Die Identität der Toten sei noch unklar, erklärte die Pariser Staatsanwaltschaft am Freitag. Damit gab es bei dem Einsatz am Mittwoch drei Tote, unter ihnen der als Drahtzieher der Anschläge von Paris geltende belgische Islamist Abdelhamid Abaaoud und seine Cousine Hasna Ait Boulahcen.

Diese sprengte sich beim Zugriff der französischen Polizei in die Luft. Noch vor wenigen Monaten war die junge Frau auf Partys unterwegs. Erst in den vergangenen Monaten verwandelte sich Boulahcen in eine Extremistin im Bann ihres Cousins Abdelhamid Abaaoud, dem mutmaßlichen Drahtzieher der Pariser Anschläge vom vergangenen Freitag. Er wurde beim Polizeizugriff am Mittwoch im Pariser Vorort Saint-Denis an der Seite von Boulahcen getötet.

Auf einem von Nachbarn aufgenommenen Video vom Mittwoch sind Boulahcens letzte Worte zu hören. „Wo ist Dein Freund?“, ruft ein Polizist durch die Panzertür der Wohnung. „Wo ist er?“ „Er ist nicht mein Freund“, ruft sie mit schriller Stimme zurück. Dann sind mehrere Detonationen zu hören. Die Ermittler gehen davon aus, dass Boulahcen eine Sprengstoffweste zündete – sie wäre damit die erste weibliche Selbstmordattentäterin Frankreichs.

Ihre Mutter und ihr Bruder bestätigten, sie hätten auf dem Video die Stimme erkannt. „Sie war instabil, sie schuf sich ihre eigene Welt“, sagt ihr Bruder, der anonym bleiben wollte. Sie habe sich vor einem halben Jahr plötzlich radikalisiert und einen Nikab getragen, der nur einen Sehschlitz freilässt. „Sie hatte sich bis dahin nie mit Religion befasst, ich habe sie nie einen Koran aufschlagen sehen.“

„Das war Gehirnwäsche“, sagt die 58 Jahre alte Mutter, mit der sie bis vor wenigen Wochen im Pariser Vorort Aulnay-sous-Bois zusammenwohnte. Die Nachbarin Sofiane erinnert sich an die Redegewandtheit der jungen Frau, sie sei aber auch „ein bisschen verrückt“ gewesen. „Sie tauchte manchmal vor einem auf und fing an zu rappen.“

Cowboyhüte und Cowboystiefel

Im lothringischen Creutzwald nahe der deutschen Grenze lebt ihr 74 Jahre alter Vater. Ein langjähriger Freund, Jérôme, beschreibt Boulahcen als lebenslustige junge Frau, die Cowboyhüte und Cowboystiefel trug und wenn sie ausging auch rauchte und Alkohol trank. Ihr Vater, ein strenger Muslim, war von Paris nach Creutzwald gezogen, um dort in einem Peugeot-Werk zu arbeiten. Er soll sich derzeit in Marokko aufhalten.

Hasna Ait Boulahcen wurde im August 1989 geboren. Im Alter von acht bis 15 Jahren lebte sie in einer Pflegefamilie. Nach Angaben ihres Bruders war sie damals glücklich und blühte auf. „Zunächst lief alles gut“, erinnert sich ihre Gastmutter. „Sie war ein Kind wie jedes andere.“ Doch gab es nach ihren Angaben schon früher Anzeichen für eine Radikalisierung. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center im September 2001 „stand sie vor dem Fernseher und klatschte“.

Als Teenager sei sie schwieriger geworden, habe Wutausbrüche gehabt und sei abends immer wieder ausgebüxt, sagt die Gastmutter. Im Alter von 15 Jahre verließ Boulahcen dann ihre Pflegefamilie.

Aus Ermittlerkreisen verlautete, es sei gegen die junge Frau auch wegen Drogenverstößen ermittelt worden. In letzter Zeit habe sie fast ihre ganze Zeit mit ihrem Smartphone verbracht, auf Facebook und im Chatdienst WhatsApp, sagt ihr Bruder. Vor drei Wochen dann sei sie mit einem Freund in den Vorort Drancy unweit von Aulnay-sous-Bois gezogen.

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