Terrorgefahr in der Türkei: Sicher ist nur die Repression
Wegen Terrorgefahr werden deutsche Einrichtungen vorübergehend geschlossen. Und Erdoğan kennt nur noch Freund und Feind.
Die Terrorwarnungen seien am Mittwochabend bei den deutschen Sicherheitsbehörden eingegangen. „Zum Schutz deutscher Bürger werden die deutschen Vertretungen vorübergehend geschlossen. Das deutsche Generalkonsulat warnt darüber hinaus, die Gegend um das Konsulat in Istanbul zu betreten. Dass Konsulat liegt nur wenige hundert Meter vom zentralen Taksimplatz entfernt. Es ist das erste Mal seit Jahrzehnten, dass die deutschen Vertretungen in der Türkei aus Sicherheitsgründen schließen müssen.
Noch ein zweiter Vorfall wirft am Tag des EU-Türkei-Gipfels einen Schatten auf die deutsch-türkischen Beziehungen. Der Korrespondent von Spiegel Online, Hasnain Kazim, musste das Land verlassen. Die Regierung hatte dem Journalisten die Akkreditierung verweigert, womit auch sein Aufenthaltsrecht entfiel und er ausreisen musste.
Zunächst schien es so, als sei Kazims Fall ein Fall unter anderen. Fast alle Korrespondenten ausländischer Medien in der Türkei hatten in diesem Jahr Schwierigkeiten, ihre Akkreditierung zu verlängern. Ein großer Teil internationaler Korrespondenten wurden über zwei Monate hingehalten. Auch Nachfragen des deutschen Botschafters halfen zunächst nicht. Erst ein Gespräch mit Ministerpräsident Ahmet Davutoğluwährend seines Besuchs in Berlin im Februar führte dann dazu, dass der größte Teil der deutschen Korrespondenten ihre Akkreditierung erhielten.
Kurdische Organisation bekennt sich
Nach tagelangem Zögern hat sich am Donnerstag die kurdische Terrororganisation TAK (Die Freiheitsfalken) zu dem verheerenden Anschlag in Ankara vom Sonntag bekannt. Dabei waren 37 überwiegend junge Menschen getötet und knapp 100 Personen schwer verletzt worden. Die TAK ist eine Unterorganisation der PKK, obwohl sie selbst einen organisatorischen Zusammenhang bestreitet. Es war das erste Mal, dass eine militante kurdische Organisation einen Terroranschlag auf unbeteiligte Zivilisten verübte.
Bislang zeichneten sich Anschläge der PKK dadurch aus, dass sie gezielt gegen Militär- oder Polizeieinrichtungen durchgeführt wurden. In ihrem Bekennerschreiben behauptet die TAK nun, auch dieser Anschlag hätte sich eigentlich gegen Sicherheitskräfte gerichtet. Durch eine Intervention der Polizei sei es dann aber zu der Explosion auf demKızılay-Platz in Ankara gekommen. Man trauere um die Opfer.
Staatspräsident ErdoĞan
Diese Stellungnahme wird wohl nichts daran ändern, dass die Wut gegen die PKK in der türkischen Bevölkerung stark zugenommen hat. Und diese Wut wird von Staatspräsident Erdoğannoch systematisch geschürt. Nachdem er zuerst erklärte, jeder der durch seine Haltung die „PKK-Terroristen“ unterstütze, sei ab sofort selbst als Terrorist anzusehen, legte Erdoğan bei einer Veranstaltung mit Bürgermeistern noch einmal nach. „Demokratie, Freiheit und Rechtsstaat haben für uns keinen Wert mehr“, sagte er. „Wer im Kampf gegen den Terror an unserer Seite ist, ist unser Freund, wer nicht, ist unser Feind. Alles andere zählt jetzt nicht mehr.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Scholz zu Besuch bei Ford
Gas geben für den Wahlkampf