Terror in Afghanistan: Angst vor dem nächsten Ausbruch

Zwei verheerende Anschläge haben Kabul erschüttert. Außerdem eskaliert der Streit um einen Leichnam aus dem Jahr 1929.

Ein Mann neben einem Gemälde umrahmt von Blumen

Der 1929 exekutierte König Habibullah Kalakani soll zeremoniell begraben werden: Wird das der Anlass zur nächsten Eskalation? Foto: dpa

KABUL taz | Kurz vor Mitternacht am Montag war die Explosion in der ganzen Stadt zu hören. Es war bereits der dritte Anschlag an diesem Tag in Kabul. Ziel war das Gebäude einer Hilfsorganisation, die sich im Hotel- und Einkaufsviertel Schar-e Nau befand. Im Laufe des folgenden elfstündigen Gefechts konnten 42 Geiseln, unter ihnen 10 Ausländer, befreit werden. Die drei Angreifer wurden getötet, ihre Hintermänner sind weiterhin unbekannt.

Bereits am Nachmittag hatte es zwei Angriffe auf das afghanische Verteidigungsministerium gegeben. Offiziellen Angaben zufolge wurden dabei mindestens 35 Menschen getötet und über 100 verletzt. Im Gegensatz zum nächtlichen Angriff bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Attacke. Ziel seien hochrangige Sicherheitskräfte gewesen. Unter den Todesopfern befanden sich ein General, führende Polizeichefs sowie zwei Leibwächter des afghanischen Präsidenten.

Doch zurzeit sorgen nicht nur die Taliban für Unruhe in Kabul. „Wir hatten schon überlegt, ob wir uns mit Nahrungsmittel­reserven eindecken sollen. Niemand wusste, ob daraus nicht noch ein Blutbad wird“, berichtet Mustafa. Er betreibt nahe der Ruine des berühmten Dar-ul-Aman-Palastes einen Obststand. Er bezieht sich auf einen Vorfall in der vergangenen Woche zwischen tadschikischen Milizen und den usbekischen Kämpfern des Kriegsherrn und afghanischen Vizepräsidenten Abdul Raschid Dostum.

Im Zentrum des Konflikts stand der Leichnam von Habibullah Kalakani. Kalakani hatte 1929 den modern geprägten König Amanullah gestürzt und zehn Monate lang in Kabul geherrscht. Danach ergriff die paschtunische Machtelite wieder die Macht und exekutierte ihn.

Mehrere tadschikische Warlords aus dem Norden waren letzte Woche mit ihren Milizen aufmarschiert, um Kalakani, der ebenfalls aus dem Norden stammte, zeremoniell auf einem zentral gelegenen Hügel in Kabul zu begraben. Dostums Kämpfer wollten dies verhindern. Der usbekische Vizepräsident hatte schon zuvor angekündigt, Kalakanis Bestattung nicht zu dulden. Einige Gräber auf dem Hügel gelten als wichtiges usbekisches Kulturgut.

Streit um einen toten König

Im Laufe der Konfrontation wurde mindestens eine Person getötet. Obwohl die Bestattung Kalakanis letztendlich stattfand, weckte der Streit am Friedhofshügel bei vielen Afghanen dunkle Erinnerungen. In den 1990er Jahren hatten Warlords, die zuvor gegen die Sowjets und ihr Regime gekämpft hatten, schon einmal Kabul zerstört. „Aufgrund eines toten Mannes hätten sie fast eine weitere Eskalation riskiert, die abermals vielen Menschen das Leben gekostet hätte“, meint etwa Hadschi Salim, der nahe des Hügel lebt.

„In diesem Land schert man sich mehr um einen toten König als um all die namenlosen Menschen, die täglich durch solche Angriffe getötet werden“, meint er wütend. Ähnlich empört ist Mustafa, der für die jetzige Situation vor allem die Regierung verantwortlich macht: „Hier macht doch jeder, was er will. Die Regierung hat überhaupt nichts zu sagen und kann nicht einmal in Kabul für Sicherheit sorgen. Und dann wundert man sich, dass so viele Menschen ins Ausland fliehen?“

Die Kritik an der „Regierung der nationalen Einheit“ von Präsident Aschraf Ghani und Regierungschef Abdullah Abdullah ist derzeit besonders groß. In Kabul sind viele der Meinung, dass die internen Querelen zwischen den beiden Politikern weiter im Vordergrund stehen, während die Gewalt auch in der Hauptstadt zunimmt.

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