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Taxonomie-Regeln in der EUIst Popcorn gesund?

Susanne Schwarz
Kommentar von Susanne Schwarz

Die Taxonomie soll als Ökosiegel für Investitionen fungieren. Die Idee ist gut – aber mit grünem Licht für Atom und Gas schlecht umgesetzt.

Grün gewaschenes AKW Foto: CSP/imag

I nvestitionen in Atomkraft und fossiles Gas sollen teilweise als nachhaltig gelten dürfen, so will es die EU-Kommission. Die hat am Mittwoch ihren finalen Entwurf für die sogenannte Taxonomie für nachhaltige Finanzen vorgelegt, also eine Liste nachhaltiger Technologien und Wirtschaftsbereiche.

Dass die EU-Regierungen und das EU-Parlament, die das Ganze formal beschließen müssen, die Richtung noch maßgeblich ändern, ist unwahrscheinlich. Kli­ma­schüt­ze­r:in­nen und Umweltverbände kritisieren den Vorstoß als Greenwashing. Und sie haben recht.

Aber wir brauchen doch Atomkraft respektive Erdgas noch, widersprechen die jeweiligen Befürworter:innen. In Deutschland, wo der Atomausstieg fast absolviert und politisch sowie technisch praktisch unumkehrbar ist, geht es eigentlich nur um Gas. Und es stimmt: Alle einschlägigen Studien, die Deutschlands Weg zur Klimaneutralität durchrechnen, kommen zu dem Schluss, dass wir hier noch neue Gaskraftwerke brauchen. Später sollen die dann mit Wasserstoff laufen, der auf Basis von Ökostrom hergestellt wurde.

Das Argument geht aber am Kern der Sache vorbei. Würde man Popcorn ein Siegel für gesunde Ernährung geben, weil Mais schließlich Gemüse ist und der Körper in gewissem Maße auch Fett und Zucker braucht? Die Taxonomie soll als Ökosiegel fungieren. Bür­ge­r:in­nen und Unternehmen, die ihr Geld nachhaltig investieren wollen, sollen es einfach haben.

Bisher ist es nämlich schwer, die richtigen Finanzprodukte zu erkennen. Die Organisation Finanzwende hat kürzlich beispielsweise bei der Analyse von angeblich nachhaltigen Fonds etliche gefunden, die sogar Geld an Ölkonzerne ausschütten. Ver­brau­che­r:in­nen denken also, dass ihr Geld die Rettung des menschlichen Lebensraums voranbringt. Stattdessen fehlt es dort und fließt an Unternehmen, deren Geschäftsmodell untrennbar mit der Zerstörung von Umwelt in Verbindung steht.

Das hätte die Taxonomie verhindern sollen – und tut es jetzt eben nur halbherzig. Ob sich In­ves­to­r:in­nen danach richten, wird sich zeigen. Ihren Zweck erfüllt die Taxonomie so jedenfalls nicht.

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Susanne Schwarz
Leiterin wirtschaft+umwelt
Jahrgang 1991, leitet das Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.
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6 Kommentare

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  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Wenn man nur noch Popcorn hätte zum essen, dann würde man Popcorn ein Siegel für gesundes Essen geben!

    Die Alternative wäre hungern! Und die Energiepreise zeigen das wir gerade am (ver)hungern sind.

  • Die Idee der EU von der Taxonomie ist IMHO eigentlich eine gute Idee. Allerdings war sie auch vor der Farce mit der Atomkraft schon völlig lobbyverseucht. Die Rüstungsindustrie galt bisher als "nachhaltig".



    Hier kann man beispielhaft sehen, dass nicht gegen "überbordenden" Lobbyismus vorgegangen werden muss, sondern gegen Lobbyismus an sich.

  • Nachhaltige Investitionen? Nachhaltiges Wachstum? Nachhaltige AKWs? Nachhaltiger Wohnungsbau statt Naherholungsgebiet (Konstanz)? Nachhaltige Autofabriken? Nachhaltiger Autobahnbau? Nachhaltige Industrieanlagen? Nachhaltige Kreuzfahrtschiffe und nachhaltige Wasserstofftanker, von nachhaltigen Werften? Nachhaltige Exporttechnologien?...



    Nachhaltiger Schwachsinn! Hier geht es primär um nachhaltige Renditen! Es ist so viel freies Kapital vorhanden, dass dafür "Parkgebühren" bei Banken bezahlt werden müssen, weil kaum noch lukrative Investitionsmöglichkeiten zu finden sind. Ein Zustand der für Investoren und Unternehmen unerträglich ist. Das Problem wird mit dem Begriff der Nachhaltigkeit gelöst. Er wird von Klimaschützer:innen ebenso gefeiert wie von Investoren, Hedgefonds und Konzernlenkern.



    Das Popcorn Beispiel ist nicht so albern wie es sich liest, wenn man an nachhaltige "Meeresplastik"-Schuhe (von Mülldeponien), nachhaltige Kühlschränke, Smartphones, Duschgels... denkt.



    Die Verwendung des Begriffs von Nachhaltigkeit ist mittlerweile total verbrannt. Nicht nur mit Bezug zur Taxonomie!



    Es gibt eine interessante Umfrage, was Manager davon halten:



    "Grün und nachhaltig will in der Wirtschaft fast jeder sein. Doch dafür das Geschäftsmodell ändern? Lieber nicht. Eine Studie enthüllt die Lippenbekenntnisse deutscher Manager."



    www.faz.net/aktuel...hema-17763976.html

    Eigentlich wäre es längst an der Zeit, sich mal den Schlaf aus den Augen zu wischen. Und dies bitte, mit nachhaltiger Wirkung.

  • Es müssen für den Kohleausstieg sogar viele neue Gaskraftwerke gebaut werden. So ca. 20-30GW an zusätzlicher Kapazität bis 2035 findet man in den gängigen Szenarien. Das ist ungefähr doppelt so viel wie wir gerade haben.

    Die Müllverbrennung ist mit 7tCO2 nur für 1% der Emissionen in Deutschland verantwortlich. Und davon ist die Hälfte auch noch biogen. Ich glaube nicht, dass das das große Problem in der Zukunft sein wird.

    • @grüzi:

      7 Mio. t CO2-Äquivalente nicht 7 t

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Dass Gaskraftwerke irgendwann Teil einer Wasserstoffspeicherwirtschaft werden, halte ich für ein verwegenes Argument. Die Wirkungsgradverluste sind so absurd hoch, dass wir es uns auf sehr lange Zeit nicht leisten können werden. Zudem brauchen wir eine Menge Wasserstoff für andere Anwendungen, die auch erstmal produziert werden will.

    Ich bin überzeugt davon, dass wir auf 10 Jahre mindestens nicht ohne Gaskraftwerke auskommen, wenn wir nicht auch die Wirtschaft komplett umbauen, was ich für extrem unwahrscheinlich halte... Aber eine Weiterverwendung von Gaskraftwerken mit Wasserstoff ist ein Hirngespinst.

    Da kommt im Übrigen noch ein gar nicht so kleines Problem auf uns zu: Müllverbrennungsanlagen - vor allem die in der Fläche - entsorgen 31% des Hausmülls - und verstromen den. Die sind ja nicht CO2-neutral, zumal das Deponieren des Mülls dieses CO2 wenigstens in den Boden entsorgt, statt erst noch ein Gas draus zu machen. Dann müssen wir 50% mehr Müll deponieren und uns fehlt der Strom aus diesen Anlagen...

    Man kann natürlich das CO2 aus dem Abgasstrom abscheiden - aber das kostet wiederum Geld. Die meisten Leute werden nicht verstehen, warum die Müllentsorgung wegen des Klimawandels teurer wird.

    Ökologische Dekarbonisierung ist schon ein recht mühsames Handwerk, wenn man nicht den Teufel mit dem Beelzebub vertreiben will...