Tausende bei Mieten-Demo: Bunter Umzug gegen den Wahnsinn
Tausende Menschen demonstrieren gegen hohe Mieten und Verdrängung – mit Zwischenstopp am Hafenplatz, wo 700 Wohnungen und Gewerbe weichen sollen.
Im Gegenteil: „Der Mietenwahnsinn ist seitdem nicht geringer geworden“, sagt Kim Meyer vom Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn. „Der Volksentscheid wird nicht umgesetzt, die Neuvermietungspreise in Berlin, die Neben- und Heizkosten sind explodiert.“
Zu der Demonstration haben fast 200 Initiativen, Verbände und Hausgemeinschaften aufgerufen. Die Forderungen: Bestandsmieter*innen schützen, Mieten deckeln, Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co enteignen umsetzen, Eigenbedarfskündigungen und Zwangsräumungen aussetzen, sozialen und ökologischen Neubau realisieren.
Etwas verspätet setzt sich am Samstagnachmittag der Demozug mit Tausenden Menschen und sechs Wagen in Bewegung. Trotz einiger markiger Forderungen (Enteignen! Besetzen! Klassenkampf!) ist die Demo gut gelaunt und gleicht eher einem Umzug. Es gibt Chöre und Trommelgruppen, Kleinkinder und Rentner*innen laufen mit. Ein Astronaut trägt ein Schild mit der Aufschrift: „Eure Mieten sind doch Mondpreise.“
„Mieter sind keine Zitronen“
Hinter dem Bündnis gegen Mietenwahnsinn folgen Gruppen gegen Immobilienkonzerne, Mieter*innen landeseigener Wohnungskonzerne und das Bündnis gegen Obdachlosigkeit. Weiter hinten laufen ein queerfeministischer Block, Klimaschützer*innen und ein kleiner anarchistischer Block. Schilder und Redebeiträge fordern den Senat auf, endlich den Mietenvolksentscheid umzusetzen. Andere tragen Transparente und Schilder mit Forderungen wie „Mieter sind keine Zitronen“, „Indexmiete ist Schiete“, „Hilfe! Ich habe Vonovia“ und „Wir bleiben alle“. Eine kommunistische Gruppe skandiert: „Was macht Investoren Dampf?“ Die Antwort: „Klassenkampf, Klassenkampf!“
Am Hafenplatz, wo eine Zwischenkundgebung stattfindet, sind 700 Wohn- und Gewerbeeinheiten vom Abriss bedroht, es sollen Hotels, Ladenpassagen und Luxuswohnungen entstehen. „Günstiger Wohnraum interessiert sogenannte Investoren überhaupt nicht“, sagt ein Sprecher. „Seit Jahren versuchen sie, uns zu verdrängen, aber wir haben gesagt: Schluss damit. Wir lassen uns nicht weiter verarschen.“ Die SPD kritisiert er für die „verfehlte Wohnungspolitik auf Bundes- und Landesebene“ und bei der Abschlusskundgebung am Platz der Luftbrücke übt er Kritik an den Plänen des Senats zur Bebauung des Tempelhofer Feldes.
Die Demo fand kurz vor dem „Tag der Immobilienwirtschaft“ statt, das jährliche Treffen des größten Immobilien-Lobbyverbands ZIA ist am 11. Juni. „Das ist die Fabrik, in der der Mietenwahnsinn produziert wird“, so Meyer. „Mit Lobbyveranstaltungen wie dem Tag der Immobilienwirtschaft soll die Politik auf ihre Vorstellungen der Stadt als Ware eingeschworen werden“, sagt ein Sprecher und fordert: „Wir wollen eine Stadt, in der alle Menschen ohne Angst vor explodierenden Mieten, vor Verdrängung und Zwangsräumungen leben können.“
Angesichts dieser Perspektiven fordert Meyer zum Abschluss: „Wir müssen uns organisieren und die Investoren vergraulen. “ Und sie appelliert an die Demonstranten: „Organisiert euch im Haus, wehrt euch gegen Mieterhöhungen, prüft eure Betriebskostenabrechnungen und geht gemeinsam auf die Straße.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht