Tattoos bei Lehrkräften in Berlin: Hosen wieder hoch
Die Bildungsverwaltung stoppt ein Formular, das Tattoos bei angehenden Beamt*innen abfragt. Sogar Fotos sollten eingereicht werden.
Zuvor hatte die Gewerkschaft GEW das Schreiben, das an Referendar*innen verteilt worden war, scharf kritisiert: Diese wurden im Zuge ihres Verbeamtungsverfahrens dazu aufgefordert, genaue Angaben zu jedem einzelnen Tattoo zu machen – inklusive einem Satz, was die Tätowierung einem persönlich bedeute und einem Foto, das beizulegen sei.
Die Gewerkschaft kritisierte das als „rechtswidrige Gewissensüberprüfung“ – insbesondere, weil auch nach Tätowierungen an Körperstellen gefragt wurde, die normalerweise von Kleidung bedeckt sind. Zudem sei der Hauptpersonalrat nicht beteiligt worden, obwohl er bei einer solchen Abfrage mitbestimmungspflichtig sei, sagte der Berliner GEW-Landesvorsitzende Tom Erdmann.
Ab dem Sommer sollen angehende Lehrkräfte in Berlin wieder verbeamtet werden. Auch bereits in anderen Bundesländern verbeamtete Lehrkräfte sollen bei einem Wechsel in die Hauptstadt ohne Wartezeit verbeamtet bleiben können. Das hatte die rot-grün-rote Koalition in ihrem 100-Tage-Programm beschlossen.
Perspektivisch will Berlin alle auch bereits angestellten Lehrkräfte, die höchstens 52 Jahre alt sind, wieder verbeamten: So erhofft man sich weniger Abwanderung in andere Bundesländer, die – bis auf Berlin – ihre Lehrkräfte alle verbeamten.
Ein 2021 verabschiedetes Bundesgesetz zur „Regelung des Erscheinungsbilds von Beamtinnen und Beamten“ legt fest, dass Tattoos „im sichtbaren Bereich verboten“ sind – wenn sie „die Funktionsfähigkeit der Verwaltung gefährden“ oder an der Verfassungskonformität des Staatsbediensteten Zweifel aufkommen lassen. Sichtbare extremistische, sexistische oder Gewalt verherrlichende Darstellungen sind somit verboten.
Fragebogen war „gut gemeint“
Aus der Bildungsverwaltung hieß es, der Abfragebogen sei wohl „gut gemeint“ gewesen. „Grundlage für das Schreiben waren ähnliche Formularentwürfe der Bundespolizei und anderer Landesministerien“, teilte ein Sprecher von Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) mit. Man habe wohl der Zentralen Medizinischen Gutachterstelle – also den Amtsärzten – zuarbeiten wollen.
Die Amtsärzte müssen wiederum sicher stellen, dass keine Dienstkräfte verbeamtet werden, die etwa ein Hakenkreuz auf dem Oberarm tragen – oder auch weniger eindeutige extremistische Symbole. 2019 beschäftigte der Fall eines Lehrer im brandenburgischen Hennigsdorf die Arbeitsgerichte, weil er sich unter anderem den SS-Spruch „Meine Ehre heißt Treue“ auf den Bauch tätowiert hatte – was bei einem Schwimmbadbesuch im Rahmen eines Schulsportfests sichtbar wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid