Tatort aus Bremen: Und dann auch noch Klassismus
Die Geschichte ist überladen, die Dialoge überdramatisch, die Kommissarin gebeutelt vom Kindheitstrauma. Und wer Unterhemd trägt, ist verdächtig.
Als Kommissarin Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und BKA-Ermittlerin Linda Selb (Luise Wolfram) vor der Leiche im roten Hochzeitskleid stehen, sind sie sich uneinig, ob man überhaupt ermitteln sollte. Susanne Kramer (Ilona Thor) starb an einem Kopfschuss, an den Wänden stehen kryptische Nachrichten („Der Teufel spricht durch die Wände“). Ist das nun ein Mordfall oder ein Suizid?
Von Anfang an wirkt der neue Bremer „Tatort“ überladen: Da sind einfach zu viele Verdächtige, wirre Wendungen und seltsame Seitenstränge. Ständig flackern düsterere Rückblenden über den Bildschirm, penetrant untermalt von bedrohlicher Musik.
Denn parallel zum ohnehin verwirrenden Hauptplot arbeitet sich Kommissarin Liv an einem Kindheitstrauma ab. Das soll als Erklärung für jede noch so absurde Handlung der Kommissarin herhalten: Liv reibt mal ihren Kopf am Kleid der Leiche. Mal geht sie nach Feierabend alleine zum Tatort, legt sich ins Totenbett und wispert dramatisch: „Was willst du mir sagen?“ Den Nachbar der Verstorbenen Gernot Schaballa (Aljoscha Stadelmann) schreit die Ermittlerin grundlos an („Du dummes Arschloch!“), besucht ihn „mehr so privat“ in seiner Wohnung und rammt ihm ohne Vorwarnung eine Gabel in die Hand.
Dabei ist Schaballa ein Verdächtiger ohne Motiv. Er lebt in einer engen, vollgestellten Wohnung, trägt ein fleckiges Feinripp-Unterhemd, unter dem ein Stück Bauch raushängt. Diese klassistische Darstellung genügt offenbar, dass der Nachbar als verdächtig gilt, ohne dass Indizien oder gar Beweise gegen ihn vorlägen.
Ein sexistisches Klischee-Bingo
Gleichermaßen wird bei der Freundin von Kramers Ex-Mann, Jacqueline Deppe (Milena Kaltenbach), kein sexistisches und klassistisches Klischee ausgelassen. Regisseurin Anne Zohra Berrached ist es nicht zu cringe, K-Pop-Fangirl Jaqueline in unauthentischer Jugendsprache mit den Beamtinnen sprechen zu lassen.
Die Dialoge sind auch an anderen Stellen so gestellt und künstlich, dass sie unfreiwillig komisch wirken. Da antwortet Ermittlerin Linda Selb auf die Frage, warum sie im Fall ermitteln will, mit unheilvoller Stimme: „Weil der Gegner der Teufel ist, und der ist nie satt, wenn es um den Tod geht.“ Geht’s nicht auch eine Nummer kleiner?
Immerhin: Einen Krimi mit so vielen Twists, Nebenhandlungen und trashigen Schreckmomenten dermaßen langweilig zu gestalten, auch das ist irgendwie eine Leistung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen