Tanklaster-Unglück im Kongo: Inferno beim Fußball-Abend

Über 230 Menschen sind verbrannt, als im Kongo ein Tanklaster explodierte. Viele der Opfer hatten sich gerade versammelt, um das WM-Spiel Ghanas zu sehen.

Löste das Inferno aus: Öl-Truck im Osten des Kongos. Bild: dpa

Badih Rukianuka steht am Tag nach der Katastrophe fassungslos neben dem ausgebrannten Tanklastwagen. Das Gesicht des 21-Jährigen ist rußverschmiert. Er hustet. Noch immer wirbelt Asche durch die Gassen der Kleinstadt Sange im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Hinter dem jungen Mann sind die Stroh- und Lehmhütten niedergebrannt. Wellblechdächer liegen herum. Knochensplitter, ein Kiefer, eine verkohlte Hand verraten - im Feuersturm sind zahlreiche Menschen gestorben. Rukianuka hat Onkel, Tante und zwei Cousins verloren. Insgesamt sind mehr als 230 Menschen verbrannt, darunter viele Kinder.

Das WM-Spiel Brasilien gegen die Niederlande war am frühen Freitag Abend beendet und hunderte Erwachsene mit ihren Kinder warteten vor einer großen Strohhütte im Zentrum von Sange auf das nächste Spiel, Ghana gegen Uruguay. Der einzige Generator der Stadt knatterte hinter der Hütte, der einzige Fernseher dröhnte durch die staubigen Gassen. Hinter den Bergen ging die Sonne unter. Im Halbdunkel donnerte ein Tanklastwagen die halbwegs geteerte Straße entlang - beladen mit 46.000 Litern Benzin. Er kam aus der Provinzhauptstadt Bukavu im Norden und war auf dem Weg in die Großstadt Uvira gut 100 Kilometer südlich von hier. Vor ihm zuckelte ein überbeladener, rostiger Kleintransporter. Mitten im Zentrum setzte der Fahrer des Tankzugs zum Überholen an - und sah zu spät das riesige Loch auf der linken Fahrbahnhälfte, wo die Straße am Rand steil abgebrochen war. "Plötzlich hörte ich ein lautes Wumm", erzählt Badih Rukianuka. Der Benzintransporter kippte auf die Seite - direkt vor die Hütte der Fußballfans.

Benzin sickerte in den Staub. Der verletzte Fahrer habe sich retten können und die heraneilenden Menschen vor einer Explosion gewarnt, berichtete ein Augenzeuge. Doch für Jugendliche wie Rukianuka war dies Gelegenheit, Geld zu machen: "Ich lief nach Hause, schnappte mir einen Kanister und lief zum Transporter zurück, um mir etwas abzufüllen", erzählt er.

Die pakistanischen Blauhelme in Sange versuchten, das Schlimmste zu verhindern. Sofort seien sie zur Unfallstelle gefahren, berichtet Major Brigadier Najam-ul-Hassam, Kommadeur der Südkivu-Brigade der UN-Mission im Kongo (Monusco). Über Lautsprecher hätten sie in verschiedenen Sprachen vor der Gefahr gewarnt. "Die Situation war heikel - fast 1000 Menschen standen um den leckenden Öltanker herum", sagt Najam. Nur wenige folgten den Warnungen.

Mittlerweile war es dunkel geworden. In der Kleinstadt gibt es keinen Strom. "Ohne Licht konnten wir das Benzin nicht mehr abfüllen", erzählt Rukianuka. "Wir haben gar nicht nachgedacht, sondern einfach jemanden losgeschickt, um Licht zu besorgen." Eine Frau kam mit einer Paraffinlampe. Das wurde den Menschen in Sange zum Verhängnis. Wie ein Feuerball rollten die Flammen durch die Straßen. Auch die große Strohhütte mit dem Fernseher brannte lichterloh - darin über 100 WM-Zuschauer.

Wasserleitungen gibt es in dieser Gegend keine. Jeder Liter muss mühsam aus Brunnen gezapft oder von Flüssen aus den Bergen geschöpft werden. Von einer Feuerwehr können Menschen in Sange nicht einmal träumen. So blieben ihnen nur wenige Wolldecken, um die Flammen zu ersticken.

Am nächsten Tag glühen immer noch Überreste der hölzernen Marktstände. Das kongolesische Rote Kreuz hat mit Hilfe von Armee und UN-Truppen die verkohlten Leichen in Plastiksäcke verpackt und auf Lastwagen geladen. Vier stinkende LKW-Ladungen voll werden auf einen rund zwei Kilometer entfernten Sandhügel hinaufgefahren. Schaufelbagger der UNO graben zwei Massengräber.

Es ist die größte Katastrophe, die die rund 14.000 Einwohner-Stadt Sange je erlebt hat, sagt Stadtvorsteher Rurkalisha Malula. Sichtlich betroffen steht der ältere Mann knöcheltief in der Asche auf dem Marktplatz. "Diese verfluchte Straße", schimpft er, und seine Lippen zittern. Immer wieder ereigneten sich hier Unfälle. "Das ist das größte Desaster aller Zeiten".

Im Krankenhaus von Sange läuft Krankenschwester Mwavita Numame verzweifelt in der Notstation herum. Sie hatte lediglich 20 Betten frei. Die übrigen Verletzten mussten in die entfernten Städte Uvira und Bukavu transportiert werden. Numame zeigt auf eine Handvoll Glukose-Infusionsbehälter, das sei alles, was sie an Medikamenten zur Verfügung habe. Sie hat nicht einmal Desinfektionsmittel für die Brandwunden, geschweige denn Verbandszeug. Die Krankenschwester fürchtet, dass noch viele der Schwerverletzten sterben werden.

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