Tanken an der Stromzapfsäule: „Das Chaos ist gewaltig“
An öffentlichen Ladestationen ist Strom oft teurer als zu Hause. Lichtblick fordert, dass Stromanbieter ihre Tarife an jeder Säule anbieten können.
Einen Überblick über den deutschen Ladesäulendschungel bietet nun eine Untersuchung des Marktforschungsunternehmens Statista, die im Auftrag der Ökostromfirma Lichtblick erstellt wurde. Ein Ergebnis: Bei acht von elf untersuchten Ladesäulenbetreibern können die Kunden nicht spontan, also ohne Voranmeldung, ihr Fahrzeug nachladen.
Die meisten Ladesäulenbetreiber rechnen nicht nach Verbrauch ab, sondern nach Ladezeit. Damit wollen sie verhindern, dass die Plätze vor den Ladesäulen als günstige Parkplätze benutzt werden, ohne weiteren Kunden zur Verfügung zu stehen. Die Abrechnung nach Zeit hat aber Tücken: Umgerechnet auf den Preis pro Kilowattstunde ergeben sich oft deutlich höhere Preise als für Haushaltsstrom. So kostet die Kilowattstunde Ladestrom beim größten deutschen Ladesäulenbetreiber, Innogy, der vor allem im Rhein-Ruhr-Gebiet Stromtankstellen betreibt, laut der Untersuchung 66,9 Cent. Haushaltsstrom schlägt mit durchschnittlich 29 Cent je Kilowattstunde zu Buche.
Bei EWE, deren Ladesäulen im Elbe-Weser-Ems-Gebiet stehen, kostet die Kilowattstunde laut Untersuchung 52,7 Cent, bei den Stadtwerken München 47,3 Cent und bei Allego in Berlin 32,2 Cent. Recht teuer ist auch das Laden an den Säulen von EnBW im Raum Stuttgart, wo neben einem Kilowattstundenpreis von 32,4 Cent eine einmalige Registrierungsgebühr von 20 Euro anfällt.
Vergleichbar mit dem Haushaltsstrompreis ist laut Untersuchung der Tarif von Hamburg-Energie mit 29,5 Cent pro Kilowattstunde. Günstiger ist der Tankstrom bei Mainova mit 18,8 Cent pro Kilowattstunde oder bei Drewag-Stadtwerke Dresden mit 13,5 Cent pro Kilowattstunde. Kostenlos laden Autofahrer bislang bei den Stadtwerken Leipzig, den Stadtwerken Düsseldorf und bei Rheinenergie. Die Statista-Experten vermuten, dass sich eine Abrechnung für die Betreiber dort noch nicht lohnt, weil es zu wenige Tankvorgänge gibt.
„Das Chaos an Deutschlands Ladesäulen ist gewaltig“, kritisiert Gero Lücking, Energie-Geschäftsführer von Lichtblick. Intransparente Stromtarife und Zugangshürden schreckten Verbraucher ab. „Mit diesem System ist die Verkehrswende zum Scheitern verurteilt.“
Lücking fordert neue Wege beim Ausbau der Ladeinfrastruktur. „Künftig muss jeder Kunde seinen Haushaltsstrom-Tarif an jeder öffentlichen Ladesäule tanken können.“ Die Stromladesäulen müssten dem Netz zugeschlagen werden, und jeder Stromanbieter sollte seine Tarife an jeder Ladesäule anbieten können.
Uneigennützig ist Lückings Forderung nicht, denn Lichtblick würde profitieren. Der gewollte Nebeneffekt: „Nur so kann auch die regionale Monopolstellung einzelner Betreiber konsequent verhindert werden“, so Lücking.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja