Tandler-Prozess in Bayern: Die Frau hinter der Maske
Andrea Tandler wurde mit Maskengeschäften reich. Vor Gericht wehrt sich die Politikertochter nun gegen den Vorwurf, den Staat betrogen zu haben.
Als sie den Sitzungssaal B 277 betritt, stellt sie sich den Fotografen und Kameraleuten, um sich kurz darauf umfassend einzulassen. Einen ganzen Vormittag lang spricht Tandler über ihr Leben, ihren neben ihr sitzenden Geschäftspartner und ihre Maskengeschäfte, die sie in kürzester Zeit extrem reich – und für manche zu einer der unsympathischsten Corona-Krisengewinnlerinnen gemacht haben.
Tandler trägt ein blaues Kleid, Brille, die dunklen Haare hat sie zum Pferdeschwanz gebunden. Sie könne sich schon vorstellen, sagt sie, welche Gedanken denjenigen, die den Prozess verfolgten, in diesem Moment durch den Kopf gingen: „Da sitzt sie, die Tochter eines CSU-Amigos. Sie hat die politischen Kontakte ihres Vaters genutzt, um Millionen an Steuergeldern abzuzocken.“ Davon, was echte Arbeit bedeutet, habe sie keine Ahnung, ihre Steuern habe sie nicht gezahlt, dafür eine Wohnung in Davos.
In der Tat ist es keine Kleinigkeit, wegen der Andrea Tandler, Tochter des ehemaligen CSU-Generalsekretärs und Strauß-Intimus Gerold Tandler, und ihr Geschäftspartner Darius N. hier vor Gericht sitzen.
Vorwurf: Steuerhinterziehung in Millionenhöhe
Rund eine halbe Stunde lang hat Staatsanwältin Susanne Gehrke-Haibl kurz zuvor vorgetragen, was den beiden Angeklagten zur Last gelegt wird: Tandler und N. hatten zu Beginn der Pandemie gigantische Provisionszahlungen für die Vermittlung von Masken des Schweizer Unternehmens Emix kassiert, die nach der Ansicht von Kritikern auch noch stark überteuert gewesen waren. Das freilich mag in Anbetracht der Notlage vieler Menschen zu diesem Zeitpunkt moralisch fragwürdig gewesen sein, illegal war es nicht.
Nur: Die über 48 Millionen Euro wurden nach Ansicht der Staatsanwaltschaft auch nicht korrekt versteuert. Insgesamt sollen Tandler und N. 23,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen haben – 8,7 Millionen Einkommensteuern, 6,6 Millionen Schenkungssteuern und 8,2 Millionen Gewerbesteuer. Summa summarum kommt Gehrke-Haibl auf einen wirtschaftlichen Gesamtschaden von 15,2 Millionen Euro.
Zu allem Überfluss soll Tandler gleichzeitig auch noch eine Corona-Soforthilfe in Höhe von 9.000 Euro beantragt haben – in den Augen der Staatsanwaltschaft Subventionsbetrug. Seit Januar sitzen Tandler und N. deshalb in Untersuchungshaft. Sie wolle nun für Transparenz sorgen, alle Fragen beantworten, sagt Tandler am Mittwoch. Es gebe absolut nichts, was sie zu verbergen habe. „Ich habe diese Geschäfte nach bestem Wissen und Gewissen abgewickelt und wollte, dass alles steuerlich korrekt gehandhabt wird.“ Aber ja, es sei eine hektische Zeit gewesen, in der „Fehler passiert sein können“. 35 Seiten umfasst das Statement, das Tandler verliest.
Sie sei in die Familie des CSU-Politikers hineingeboren worden, sagt Tandler. „Aber dafür kann ich nichts.“ Sie habe ihren Namen nicht bewusst eingesetzt, als ihr von einem in der Schweiz lebenden Bekannten das Angebot gemacht wurde, für Emix Kontakte herzustellen und Schutzausrüstung zu vermitteln. Die Kontakte zu den Gesundheitsministerien in Bayern, Nordrhein-Westfalen und im Bund kamen unter anderem über Vermittlung der Strauß-Tochter Monika Hohlmeier, einer Freundin Tandlers, zustande.
Nicht nur Freunde und Geschäftspartner, sondern ein Paar?
Auch Darius N. bestätigt Tandlers Aussage in einem am Nachmittag von seinen Verteidigern verlesenen Statement und betont, dass man doch schließlich Tausenden von Menschen das Leben gerettet habe.
Beide wollen zudem dem Eindruck entgegenwirken, sie seien nicht nur Freunde und Geschäftspartner, sondern ein Paar gewesen, Tandler habe Darius N. seinen „Anteil“ de facto geschenkt.
Richterin Andrea Wagner zeigt sich skeptisch, erwähnt ein Testament, in dem Tandler ihren Freund als Alleinerben eingesetzt habe. Außerdem lässt sie SMS-Verläufe an die Wand projizieren, die anderes vermuten lassen: „Ich lieb dich so“, heißt es zum Beispiel in einer Nachricht Tandlers an ihren Geschäftspartner. Sie seien eben sehr gute Freunde gewesen, entgegnet Tandler. Ihrer Mutter oder anderen Freunden schreibe sie dasselbe.
Für den Prozess hat das Gericht bislang sechs Wochen eingeplant.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Der alte neue Präsident der USA
Trump, der Drachentöter
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens