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Tag gegen Homophobie„Verschärftes Klima gegen Queere“

Der Lesben- und Schwulenverband beklagt die steigende Zahl von Übergriffen in Deutschland. Queere Personen würden dämonisiert, Hetze werde wieder salonfähig.

Demonstration gegen Homophobie im Sommer 2023 in Berlin Foto: Christoph Soeder/dpa

Berlin dpa | Lesben, Schwule, Bisexuelle und trans Menschen sehen sich nach Einschätzung ihrer Interessenverbände zunehmend Anfeindungen ausgesetzt. „Das gesellschaftliche Klima gegen queere Menschen hat sich im letzten Jahr nochmal deutlich verschärft“, sagte Mara Geri vom Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands zum Tag gegen Homophobie am Freitag. Schon seit Jahren steige die Zahl der Übergriffe.

Dieser Trend setzte sich auch im vergangenen Jahr fort, wie aus Sicherheitskreisen verlautete. Demnach stieg die Zahl der von der Polizei registrierten Straftaten gegen Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung deutlich. Die offizielle Statistik dazu will Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am nächsten Dienstag vorlegen.

2022 wurden laut dem Ministerium bundesweit 1.005 Straftaten gegen Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transgender und intersexuelle Menschen registriert. Darunter seien 227 Gewalttaten gewesen. 2023 seien die Fallzahlen in den Kategorien „frauenfeindlich“, „sexuelle Orientierung“ und „geschlechtsbezogene Diversität“ im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen, hieß es nun aus Kreisen.

„Wir beobachten mit großer Sorge die Zunahme an queerfeindlichen Übergriffen“, sagte Geri dazu. Es gebe vor allem rechtsextreme Stimmungsmache. „Durch Dämonisierung von LSBTIQ* und gezielte Desinformation sollen Hass und Hetze wieder salonfähig werden – und aus diesen Worten werden Taten“, sagte Geri. LGBT ist die englische Abkürzung für lesbisch, schwul, bisexuell und Transgender.

Hohe Dunkelziffer befürchtet

Der Verband geht bei der Zahl der Vorfälle von einer großen Dunkelziffer aus, „weil die eindeutige Feststellung eines queerfeindlichen Motivs schwierig ist und Betroffene aus Scham oder Misstrauen gegenüber der Polizei Straftaten teilweise nicht melden“. Ähnlich sieht es der Bundesverband Trans* e.V.. „Diese Zahlen sind nur die Spitze des Eisbergs.“ Von zivilgesellschaftlicher Seite gebe es kein vergleichbares flächendeckendes Monitoring, das Gewaltfälle bundesweit registriere.

Der internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie geht auf den 17. Mai 1990 zurück: Damals beschloss die Weltgesundheitsorganisation (WHO), Homosexualität von der Liste psychischer Krankheiten zu streichen.

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6 Kommentare

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  • Auszug:"....als wären die Meinungen von nicht Betroffenen Menschen, die immer noch eine große Mehrheit in unserer Gesellschaft stellen, genauso relevant wie die Positionen von Betroffenen"

    Selbstverständlich ist das relevant! Statt über eine Integration in die -mehrheitliche- Gesellschaft zu sprechen wollt ihr über die Mehrheit bestimmen.Das führt zwangsläufig zum Crash. Miteinander reden heisst das Zauberwort nicht gegeneinander.

  • Nicht nur nimmt die Gewalt von rechts gegen uns zu, aber historisch rechte Talking Points sind mittlerweile im gesamten politischen Spektrum zu finden.

    Von Antideutschen Linken die trans Personen auf Demos attackieren, einer Bürgerlichen Mitte die offen über unsere Selbstbestimmung diskutiert ohne selbst betroffen zu sein, bis zu Linksliberalen Medien wie der Taz die transfeindliche Positionen als "Meinungen im trans-Diskurs" eine Plattform bietet.

    Das Framing, queere Menschen und unser Recht auf Unversehrtheit und Selbstbestimmung seien Diskutabel, als wären die Meinungen von nicht Betroffenen Menschen, die immer noch eine große Mehrheit in unserer Gesellschaft stellen, genauso relevant wie die Positionen von Betroffenen, all das bereitet den Nährboden auf dem nicht queere Menschen den Anspruch entwickeln über uns mitzubestimmen und der Gewalt die wir erfahren wenn wir das nicht akzeptieren.

    Um es radikaler auszudrücken: Für uns als zahlenmäßige Minderheit ist euer Bestehen auf den "demokratischen Prozess und Diskurs" eine Bedrohung.

    • @Notyourgirl:

      Fuer eine sachliche Diskussion und zum besseren Verständnis, definieren Sie doch bitte ersteinmal, was Sie unter "rechts" verstehen.



      Meinen Sie nun echte Rechtsextreme oder meinen Sie politische Meinungen wie von den Freien Wählern oder CDU?

    • @Notyourgirl:

      Da ich mir absolut nicht vorstellen kann, dass Sie sich ein autoritäres System herbeisehnen, frage ich mich, wie das Zusammenleben von Menschen funktionieren soll, wenn sie es nicht (mehr) in einem "demokratischen Prozess und Diskurs" aushandeln dürfen.

    • @Notyourgirl:

      So existenziell diese Entscheidungen für alle Queers im Individuellen sind -- ohne Sensibilität der Mehrheit für queere Themen und ihrer Solidarität mit unseren Minderheitenanliegen geht es nicht. Und die Basis der Unterstützer ist breit, sehr viel breiter als die dünne Sparte der Hetzer und Kläffer.



      Auch was Hass und Hetze betrifft ist das Motto: Wir sind nicht die einzigen, die das betrifft. Wir sind nicht die einzigen, die diese Entwicklung wahrnehmen und beängstigend finden. Wir sind nicht allein.



      Also: Offen bleiben, Verbündete suchen und mobilisieren, Koalitionen schmieden, Mehrheiten schaffen.

    • @Notyourgirl:

      Um es radikaler auszudrücken: Für uns als zahlenmäßige Minderheit ist euer Bestehen auf den "demokratischen Prozess und Diskurs" eine Bedrohung.

      Den demokratische Prozess als Bedrohung für Minderheiten zu sehen ist definitiv daneben. Wo, wenn nicht in einer Demokratie und ihren, manchmal auch langsamen Prozessen können sich Minderheiten Gehör verschaffen?