piwik no script img

TV-Duell zwischen Scholz und MerzKrimi ums Kanzleramt

Der wöchentliche Tatort-Film muss dem TV-Duell zwischen Scholz und Merz weichen. Doch ein Mord ist auch Ausgangspunkt dieses kriminellen Wahlkampfs.

Olaf vs. Friedrich, der Straßenfeger zur Primetime, wer löst den Fall und wer schwingt die rechte Keule Foto: Kay Nietfeld/dpa

Es ist Sonntag, 20.15 Uhr, zwei TV-Moderatorinnen treten in ein Berliner Fernsehstudio. Zwei Politiker kommen dazu und beantworten Fragen. Immer wieder wird es an diesem Abend um einen Mord gehen. Ort des Verbrechens ist ein Kinderspielplatz in Aschaffenburg, der Mörder ist ein ausreisepflichtiger und psychisch kranker Mann.

Am Ende wird einer den Sender als Verlierer verlassen. Der andere geht ins Kanzleramt. Oder auch nicht. Wie so manches Mal in einem Sonntagabendkrimi bleibt das Ende auch dieses Duells offen.

Die Folge „Scholz gegen Merz“, die die ARD anstelle des „Tatorts“ am Sonntag ausstrahlt, wird wahrscheinlich weniger kriminell als dröge. Kriminell aber war der Wahlkampf in der vergangenen Woche. Ein gewiefter „Tatort“-Schreiber könnte aus dieser einen Politthriller drehen, in dem ein Mord Ausgangspunkt eines völlig aus dem Ruder laufenden Wahlkampfs wird.

Am Sonntag wird es aber mutmaßlich auch um Dinge gehen, die man durchaus auch als kriminell bezeichnen kann: Warum wurden die hunderttausende Wohnungen nicht gebaut, die dringend notwendig sind, um nicht massenhaft Menschen in Armut, Obdachlosigkeit, Traumata und Kriminalität zu stürzen? Wieso ist das Drama um die Erderwärmung und die Aussichten auf unabsehbare Kosten durch Überschwemmungen, Dürre und Ernteausfälle nicht oberste Chefsache?

Keine Plottwists

Die Antworten auf diese Fragen, die die Moderatorinnen am Sonntag Olaf Scholz und Friedrich Merz mutmaßlich stellen werden, dürften mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so ausfallen, dass darin nichts Überraschendes, Konkretes oder Machbares enthalten sein wird.

Bereits letzte Woche hatte das ZDF eine Wahlkampfrunde gezeigt, in der sich Spit­zen­po­li­ti­ke­r*in­nen von Lars Klingbeil bis Alice Weidel ins Wort fallen durften, während zeitgleich auf der „Wand“ zugeschaltete Wäh­le­r*in­nen per Emoji ihre Reaktion auf das Gesagte ausdrücken sollten. Eine peinliche Kindergartenbespaßung, in der Alice Weidel sich bei der Kindergärtnerin beschwerte: „Der hat mich grade Nazi genannt.“

Das einzige angemessene Duell, das sich mal jemand im Fernsehen trauen sollte, wäre die Kanzler- und Mi­nis­ter­kan­di­da­t*in­nen in ein Videospiel zu schicken, eine Runde Baller-, eine Runde Strategiespiel. Die Aufmerksamkeit wäre höher, der Gewinn auch.

Für alle, die sich den Sonntagabend nicht durch Realpolitik verderben lassen wollen, gibt es leider im ZDF keine Krimi-Alternative. Der Sender sendet unverfroren den gleichen Mist wie die ARD. Wieso zeigt man da nicht wenigstens das Duell der Oppositionsführer? Heidi Reichinnek gegen Sahra Wagenknecht – das wäre ein echter Knaller.

Die einzig echte Alternative indessen präsentiert am Sonntag um 20.15 Uhr Arte: „Der Krieg des Charlie Wilson“. Der Film, dessen Drehbuch von Aaron Sorkin stammt, dem Mastermind hinter der Politserie „The West Wing“, basiert auf wahren Begebenheiten und erzählt von dem texanischen Kongressabgeordneten, der eine geheime Mission startete, um afghanische Kämpfer gegen die Sowjetunion zu unterstützen. Er manövriert dabei durch Intrigen und Korruption mit bestem schwarzem Humor und dem schonungslosen Blick auf fatale Konsequenzen politischer Entscheidungen.

„Der Krieg des Charlie Wilson“, So., 20.15 Uhr, Arte

„Das TV-Duell – Scholz gegen Merz“, So., 20.15 Uhr, ARD/ZDF

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Kanzler-Krimi? Kömödie? Da werde ich lieber Kafka lesen.

    • @starsheep:

      Da simmer dabei! Dat is prima!



      Reihe mich ein, Motto:



      bei spiegel.de



      "Du denkst, es kann nicht schlimmer werden? Diese Romane sagen: doch!



      (...)



      "An so manchen Tagen schaltet man die Nachrichten an und denkt: "Ok, jetzt fehlt nur noch, dass die Menschheit von hyperintelligenten Riesenameisen versklavt wird" – so beschissen und hoffnungslos erscheint einem alles. Da bringt es einen paradoxerweise gut drauf, sich mit Welten zu beschäftigen, in denen alles noch viel schlimmer ist. Die fiktiven Welten großer, dystopischer (also anti-utopischer) Romane zum Beispiel."

  • Warum nur ist Doris Akrap immer so klarsichtig?



    Sie sollte sich mal als Kanzlerin, vielleicht als Doppelkanzlerin mit Ulrike Herrmann, bewerben.

    Könnte nur Win - Win für alle Beteiligten sein☺️

  • Vielleicht wird keiner der beiden Kanzler, wie auch immer. Einer könnte wegen der letzten Woche keine Koalition zusammenbringen, der andere keine Kanzlermehrheit mit kleineren Parteien haben oder es gibt eine faustdicke Überraschung aus dem Lager eines anderen Kandidaten.

  • Also von den Prognosen her müßten ja Weide und Merz in den Ring steigen. Und da sich beide inhaltlich ja relativ nah sind, vielleicht als Auflockerung zum Abschluß eine Runde Schlammcatchen. 🤡



    Diese Elefanten- oder Kanzlerrunden sind doch sowieso ein Abklatsch aus den USA und in meinen Augen auch nur Zeitverschwendung.