TV-Duell vor Frankreichs Wahl: „Russland ist Le Pens Bankier“
Bei der Debatte zwischen Macron und Le Pen werden die Differenzen deutlich. Zum Beispiel zu EU, Energiewende und Russland.
Die Anspannung war zu Beginn beiden Debattierenden anzusehen, denn sehr viel stand auf dem Spiel. Marine Le Pen, die per Losentscheid als Erste das Wort erhalten sollte, legte in der Nervosität sogar einen Fehlstart hin, indem sie zu reden begann, bevor ihr das Duo, das die Sendung moderieren musste, die erste Frage stellen konnte. Sie hatte sich in Erinnerung an die völlig verpatzte Debatte von 2017 gegen Macron intensiv vorbereitet.
Ob dieser verbale Schlagabtausch für das Resultat der Wahl am Sonntag etwas bewirkt oder zumindest zusätzliche Stimmberechtigte zum Wählen motiviert, darüber wurde gleich im Anschluss unter Medienvertretern debattiert. Le Figaro fasste das so zusammen: „Le Pen zählt die Probleme auf, Macron die Lösungen.“
Der Amtsinhaber Emmanuel Macron, der für seine Wiederwahl antritt, musste seine Bilanz verteidigen. Er versuchte im Gegenzug, das Programm seiner Gegnerin, der Rechtspopulistin Marine Le Pen, systematisch als gefährlich für die Demokratie und ihre Vorschläge für bessere Lebensbedingungen als unrealistisch zu demontieren.
Das gelang ihm auch teilweise, da schnell deutlich wurde, dass er die Details der großen Wirtschaftsthemen, aber auch den Staatsapparat und die Gesetzgebung viel besser kennt als Le Pen. Macron, der seine Vorteile nutzen wollte, wurde manchmal aggressiv und belehrend, indem er seiner destabilisierten Gegnerin ankreidete, sie lüge oder verdrehe die Wahrheit.
Ins Wanken geriet sie bei der Erörterung des Kriegs in der Ukraine, als Macron ihr vorwarf, dass sie 2014 die russische Annexion der Krim akzeptiert habe und danach für ihren Wahlkampf von 2017 von einer russischen Bank, deren Nähe zum Machthaber Putin bekannt sei, einen Millionenkredit erhalten habe, den sie sie bis heute nicht hätte zurückbezahlen müssen. Mit dieser Schuld stehe sie „in einer Abhängigkeit“: „Wenn Sie von Russland reden, Madame Le Pen, sprechen Sie von Ihrem Bankier.“ Sie versuchte sich mit einer Solidaritätserklärung mit der Ukraine aus der Affäre zu ziehen. Macron konterte, ihre Fraktion habe sich im EU-Parlament gegen die Sanktionen ausgesprochen.
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Laut Umfragen sind 13 Prozent der Wahlberechtigten noch unentschieden
Wie sehr sich die politischen Vorstellungen für Frankreichs Zukunft unterscheiden, wurde in der EU-Frage deutlich. Le Pen beansprucht ein Primat der nationalstaatlichen Souveränität und wünscht eine „tiefgreifende Modifikation der Institutionen“. Es sei ein Unsinn, wenn Macron (in der Verteidigung oder Industrie) von einer „europäischen Souveränität“ spreche, denn es gebe ja kein „europäisches Volk“. Macron möchte, dass die Wahl zu einer Pro-Europa-Abstimmung wird.
In die Haare gerieten sich die beiden zum Thema Energiewende: „Ich bin keine Klima-Skeptikerin, wie Sie sagen, aber Sie sind ein Klima-Heuchler“, entgegnete Le Pen. Sie möchte die Atomenergie noch mehr als Macron fördern und dafür die Windräder verbieten. Sie äußerte die Meinung, Macron hätte den Betrieb des AKW Fessenheim im Elsass nicht einstellen dürfen.
Nach ihrer eventuellen Wahl möchte Le Pen als Präsidentin zu verschiedenen Themen, namentlich zur Bekämpfung der Immigration und zur Einführung des Prinzips der „nationalen Präferenz“ (zur Anwendung bei der Stellen- oder Wohnungssuche), in Umgehung des parlamentarischen Wegs Volksbefragungen durchführen. Das hält Macron für verfassungswidrig. Er ist auch gegen das von Le Pen geforderte generelle Verbot des islamischen Schleiers in der Öffentlichkeit, weil dies einen Angriff auf die Religionsfreiheit darstelle. Le Pens vorsätzliche Vermischung von Islam und Islamismus führe in einen „Bürgerkrieg“.
Die Fernsehdebatte zwischen den beiden Finalisten, Emmanuel Macron und Marine Le Pen, war zweifellos der Höhepunkt der Kampagne der Präsidentschaftswahlen am kommenden Sonntag. Obschon diverse Kommunikationsberater und Politologen die Meinung vertraten, der Verlauf dieser Diskussion am Bildschirm werde erfahrungsgemäß nur wenig Einfluss auf die Entscheidung am Wahlsonntag haben und die Erwartungen an diesen verbalen Schlagabtausch müssten daher relativiert werden, verfolgten sehr viele Wählerinnen und Wähler die Konfrontation. Und sei es vielleicht auch bloß, um die eigene vorgefasste Meinung über die beiden Kandidierenden bestätigt zu finden.
In Umfragen aber gaben immerhin 13 Prozent der Wahlberechtigten an, sie wüssten noch nicht, wem sie am Sonntag ihre Stimme geben würden. Auch haben sich viele Französinnen und Franzosen noch nicht definitiv entschlossen, an der Stichwahl teilzunehmen.
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