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TU-Präsidentin über Berlins Sparzwang„Wir werden die Klage vorbereiten“

Die Präsidentin der TU Berlin Geraldine Rauch wehrt sich gegen den Sparkurs des Berliner Senats – und hofft auf das Sondervermögen von Union und SPD.

Berlin am 22. Februar: Gewerkschaften und Hoch­schul­mit­ar­bei­te­r:in­nen protestieren gegen die Berliner Sparwut Foto: Mike Schmidt/imago
Ralf Pauli
Interview von Ralf Pauli

taz: Frau Rauch, Sie haben dem Berliner Senat ein Ultimatum gestellt: Bleibt er bei seinem drastischen Sparkurs, verklagen Sie die schwarz-rote Landesregierung. Am Montag lief das Ultimatum aus. Setzen Sie Ihre Drohung nun um?

Geraldine Rauch: Der Senat ist uns entgegengekommen. So wurde uns die lange erwartete Zusage gegeben, den dringend benötigten Physik-Neubau realisieren zu dürfen. Davon abgesehen bleiben allerdings viele zentrale Fragen offen. Wir wünschen uns eine Einigung, aber brauchen belastbare und verbindliche Zugeständnisse. Dazu bleibt nicht mehr viel Zeit. Daher werden wir als TU Berlin unter den Hochschulen sein, die die Klageschrift vorbereiten.

Im Interview: 

Geraldine Rauch,

42, ist seit April 2022 Präsidentin der Technischen Uni­versität Berlin. Zuvor war die Mathematikerin unter anderem Direktorin des Instituts für Biometrie und Klinische Epidemiologie an der Berliner Charité.

taz: Sie begründen die Klageandrohung damit, dass der Senat den Hochschulvertrag verletzt. Inwiefern?

Rauch: Der Berliner Senat hat den gültigen Hochschulvertrag verletzt, indem er die vereinbarten Zuschüsse kürzt und in die Rückstellungen für vorgesehene Sanierungen eingreift. Bildung und Wissenschaft müssen für Berlin absolute Priorität haben. Die TU Berlin stellt sich hier auch vor ihre Beschäftigten.

taz: In diesem Jahr sollen die Berliner Hochschulen 8 Prozent weniger Geld erhalten. Angenommen, es bleibt dabei: Welche ­Folgen hätte das für Ihre Universität und den Wissenschaftsstandort Berlin?

Rauch: Es ist bereits jetzt angekündigt, dass es nicht bei den 8 Prozent Kürzungen bleibt. Ob sich die Situation ab 2026 noch einmal verschärft, ist derzeit unklar – eine der Fragen, wo wir eine konkrete, belastbare Antwort brauchen, um die Klage möglicherweise noch abzuwenden. Hinzu kommt unser riesiger Sanierungsstau von 2,3 Mil­liarden Euro allein für die Gebäude der TU Berlin.

Die Folgen sind katastrophal: Befristete Verträge können nicht verlängert werden, Fachgebiete müssen geschlossen werden und Studiengänge werden eingestellt. Berlin als Wissenschaftsstandort verliert an Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit. Das alles passiert in einer Zeit, in der die Wissenschaft weltweit immer mehr unter Druck gerät – ein fatales Zeichen.

taz: Während CDU und SPD in der Hauptstadt vieles kaputtsparen, könnte der Bundestag kommende Woche – auf Betreiben von Union und SPD – 500 Milliarden Euro Sondervermögen für Infrastruktur freimachen. Haben Sie Hoffnung, dass der Bund jetzt für Ihre maroden Gebäude aufkommt?

Rauch: Ja, ich habe Hoffnung. Die bauliche Infrastruktur ist nicht nur an den Hochschulen in einem desolaten Zustand. Wenn wir die Gebäude weiter verrotten lassen, handeln wir auf Kosten der nächsten Generationen. Auch der Bund muss hier Verantwortung übernehmen.

taz: Noch mal zurück zur Landes-Groko: Der Start war aus der Sicht der Berliner Hochschulen doch eigentlich ganz gut. Auf deren Wunsch haben CDU und SPD eine Regelung von Rot-Rot-Grün zurückgenommen, nach der die Unis Wis­sen­schaft­le­r:in­nen spätestens nach der Promotion eine Entfristung in Aussicht stellen mussten. Die Vorschrift ist abgeräumt, die Unis bleiben un­attraktive Arbeitgeberinnen. Ist das nicht ein Problem?

Rauch: Die Klage der HU habe ich nicht unterstützt. Das Zurücknehmen der verbindlichen Anschlusszusage war ein schwerer Fehler. Es war ein Tiefschlag für alle Wis­sen­schaft­le­r*in­nen mit befristeten Verträgen und hat die Attraktivität Berlins als Forschungsstandort weiter geschwächt. Auch hatte es unsere Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra anders in Aussicht gestellt. Wir brauchen verlässliche Perspektiven für junge Forschende, auch um international konkurrenzfähig zu bleiben.

taz: Einige Hochschulen gehen voran und schaffen freiwillig mehr Dauerstellen neben der Professur. Was unternimmt die TU Berlin gegen hohe Befristungsquoten und Kurzzeitverträge in der Wissenschaft?

Rauch: Die TU Berlin gehört zu den Vorreiterinnen. Wir haben im Akademischen Senat einen Beschluss gefasst, die Anzahl der Dauerstellen zu erhöhen. Der erste Monitoring-Bericht zeigt, dass sechs von sieben Fakultäten die Zahl ihrer Dauerstellen erfolgreich erhöht haben. Ich bin stolz, dass unsere Universität die Belange ihrer Beschäftigten ernst nimmt.

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