Syrischer Aktivist über US-Luftschläge: „Das wird unseren Hass befeuern“
Angriffe allein gegen den IS sind inakzeptabel, schreibt der Oppositionelle Raed Fares. Auch das Assad-Regime und die Hisbollah müssten bekämpft werden.
W ir haben versucht, die Welt zu sensibilisieren, damit sie uns hilft, die Verantwortlichen des Terrorismus, der Kriminalität, des Tötens und der Zerstörung loszuwerden: die Assad-Familie und all ihre Anhänger, genauso wie die Terrorzellen, die sie kreiert und gegen uns moderate Rebellen eingesetzt hat, also auch den Islamischen Staat (IS), die Miliz der schiitischen Hisbollah und ihre Ableger.
Seit Beginn der Aufstände gelten alle unsere Anstrengungen diesem einen Ziel: uns von dem Assad-Clan und den Islamisten zu befreien. Nun aber wurde eine internationale Koalition gegründet: In Windeseile kam ein Bündnis zustande, um den Terror zu bekämpfen, wie gewöhnlich unter Führung der USA. Es ist also höchste Zeit, sich folgende Tatsachen in Erinnerung zu rufen:
1. Baschar al-Assad ist die Quelle und die Speerspitze des Terrors. Er hat mehr als eine halbe Million Syrer töten lassen, mehr als 10 Millionen vertrieben und mehr als 250.000 verhaftet. Mehr als eine halbe Million Menschen sind heute verstümmelt. Mithilfe von allen möglichen Waffen, vom Messer über Fassbomben und Giftgas hat er fast das ganze Land zerstört. Er hat Syrer auf eine Weise abgeschlachtet, wie es die Welt seit Jahrhunderten nicht mehr erlebt hat.
2. Die libanesische Terrorgruppe Hisbollah bedeutet Terror in all seinen Facetten. Sie beschäftigt ausländische Kämpfer, die Syrer ermordet und unvorstellbare Massaker angerichtet haben. Hizbollah steht nicht umsonst auf der Terrorliste der USA.
ist Leiter des Medienbüros im syrischen Kafranbel. Mit //www.facebook.com/raed.fares.5/posts/695180300566188:diesem Statement auf //www.facebook.com/raed.fares.5:seiner Facebookseite (24.9.2014) trat er eine heftige Debatte unter moderaten Rebellen in Syrien los.
Die kleine syrische Stadt Kafranbel nördlich von Homs wurde berühmt durch ihre regelmäßig via Youtube and Facebook verbreiteten Plakate. Mit viel Humor kommentieren sie seit Beginn der Revolution die Lage in Syrien und in der Welt
3. Der Islamische Staat (Arabisch: Daash) ist eine wandernde Terrorgruppe, die tausende Syrer getötet und vertrieben hat.
4. Es gibt islamistische Gruppen in Syrien, die das Regime bekämpfen, ohne der syrischen Bevölkerung etwas anzutun. Sie haben Brüderlichkeit und Respekt bewiesen. Diejenigen, die gleichwohl Massaker verübten, taten das nicht im Namen einer Ideologie.
Als die Revolution begann, haben wir Araber und Muslime zu Hilfe gerufen. Sie schickten uns Leute ohne Waffen. Dabei war das, was wir am Dringendsten brauchten, politische und militärische Unterstützung von Ländern, um Baschar al-Assad zu besiegen.
Heute stehen wir an einem Scheideweg
Wenn die Koalition all die genannten Gründe für den gegenwärtigen Terror ignoriert, indem sie nur den IS bekämpft sowie die islamistischen Gruppen, die das Regime bekämpfen, dann ist das bei Gott weder logisch noch weise. Es ist inakzeptabel. Es wird unseren Hass auf den Kopf der Koalition und seine Verbündete befeuern und das Image von Amerika als „Großer Satan“ konsolidieren.
Assad, Hisbollah und IS sind die einzigen, die angegriffen werden sollten. Ansonsten seid versichert, dass mit jedem neugeborenen syrischen Kind der Terror weitergehen wird. Dieser Terror wird das direkte Produkt Eurer Aktionen sein.
Wir haben die Revolution begonnen obwohl wir wussten, dass wir gegen die Armee des Regimes nichts werden ausrichten können. Wir haben uns für diesen Weg entschieden und wir werden ihn weitergehen. Der Eintritt einer weiteren Militärmacht macht uns keine Angst. Wir haben nicht die Kapazität, ihr etwas entgegenzusetzen. Aber wir haben unsere Revolution. Selbst wenn sich die ganze Welt hinter das repressive Regime Assads stellt, im März 2011 haben wir uns für die Revolution entschieden. Das einzige, was uns aufhalten kann, ist der Tod.
Übersetzung aus dem Englischen: Ines Kappert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!