Syrien von Arabischer Liga suspendiert: Assad-Anhänger stürmen Botschaft
Nach der Entscheidung der Arabischen Liga für eine Aussetzung der Mitgliedschaft Syriens haben wütende Anhänger von Präsident Baschar al-Assad Auslandsvertretungen in dem Land angriffen.
AMMAN/ KAIRO rtr/afp | In der Hauptstadt Damaskus stürmten Hunderte Männer am Samstagabend die saudiarabische Botschaft. Anwohnern zufolge riefen sie dabei Parolen zur Unterstützung Assads. Ähnliche Angriffe soll es auch auf das französische und das türkische Konsulat in der Stadt Latakia gegeben haben.
Die Arabische Liga hatte die Mitgliedschaft Syriens am Samstag überraschend ausgesetzt. Der Staatenbund kündigte am Samstag wirtschaftliche und politische Sanktionen gegen die autokratische Regierung in Damaskus an, die seit Monaten mit Gewalt gegen die Opposition vorgeht. Zudem rief die Liga die Mitglieder auf, ihre Botschafter aus Syrien abzuziehen.
Saudi-Arabien verurteilte den Vorfall scharf und warf den syrischen Sicherheitskräften vor, nicht eingegriffen zu haben. Das Außenministerium in Riad teilte mit, eine Gruppe von Demonstranten habe sich vor der Botschaft versammelt, Steine geworfen und dann die Botschaft gestürmt. Die syrischen Sicherheitskräfte hätten nichts getan, um dies zu verhindern.
"Starke und mutige" Entscheidung
Erst später hätten sie die Demonstranten aus der Botschaft gewiesen. Saudi-Arabien hat seinen Botschafter bereits seit August aus Syrien abgezogen, nachdem das Königreich Syrien zu einem Ende der Gewalt gegen Regierungsgegner aufgefordert hatte.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon begrüßte unterdessen den Beschluss der Arabischen Liga und sprach von einer "starken und mutigen" Entscheidung zum Schutz von Zivilisten. Bundesaußenminister Guido Westerwelle bezeichnete die Entscheidung der Arabischen Liga als wichtiges Signal und forderte auch Konsequenzen des UN-Sicherheitsrats. Die britische Regierung forderte Assad erneut zum Rücktritt auf.
Die Suspendierung werde so lange gelten, bis die Regierung in Damaskus den von dem Staatenbund ausgehandelten Krisenplan "vollständig umgesetzt" habe, erklärte die Arabische Liga in Kairo. Der Plan sieht einen Rückzug der Armee aus den Städten, ein Ende der Gewalt, die Freilassung politischer Gefangener sowie die Zulassung unabhängiger Beobachter vor. Zudem strebt die Liga einen nationalen Dialog zwischen Regierung und Opposition an. Anfang November hatte die syrische Führung unter Staatschef Baschar al-Assad dem Plan zugestimmt, seitdem aber wiederholt gegen die Vorgaben verstoßen.
"Schritt in die richtige Richtung"
Die Liga brachte zudem "politische und wirtschaftliche Sanktionen" ins Spiel, sollte sich Damaskus nicht an den Plan halten, äußerte sich aber nicht im Detail dazu. Die Beschlüsse gab der katarische Außenminister und Regierungschef Hamad ben Dschassem el Thani nach Beratungen der Außenminister der Arabischen Liga bekannt. Die syrische Opposition wurde eingeladen, binnen drei Tagen in Kairo über den "Übergang" in Syrien zu beraten. In einem Aufruf an alle Strömungen der Opposition hieß es, diese sollten sich auf ein "einziges Projekt für den kommenden Übergang" einigen. Der oppositionelle syrische Nationalrat sprach von einem "Schritt in die richtige Richtung".
Syriens Botschafter bei der Arabischen Liga, Jussef Ahmad, nannte die Beschlüsse hingegen "illegal und im Widerspruch zum Vertrag" der Organisation stehend. Sie beendeten das "gemeinsame arabische Handeln" und bewiesen, "dass die Führung der Liga ein Programm verfolgt, das von den Amerikanern und dem Westen diktiert wird", erklärte der von syrischen Medien zitierte Botschafter, der Syrien bei dem Treffen in Kairo vertreten hatte.
Die Gruppe rief zugleich die arabischen Staaten auf, ihre Botschafter aus Damaskus abzuziehen. Anhänger der Regierung griffen aus Protest gegen die Entscheidung der Arabischen Liga die Botschaften von Saudi-Arabien und Katar in Damaskus an. Dutzende Demonstranten seien in das saudiarabische Botschaftsgebäude eingedrungen, hätten Fenster eingeschlagen und geplündert, berichtete die saudiarabische Nachrichtenagentur SPA. Auch vor der katarischen Botschaft kam es zu gewaltsamen Protesten.
Mehr als 3500 Menschen getötet
US-Präsident Barack Obama erklärte, er "applaudiere den wichtigen Entscheidungen, die von der Arabischen Liga heute getroffen wurden". Der Schritt belege die "zunehmende diplomatische Isolierung" Syriens. Die EU sagte der Arabischen Liga ihre "volle Unterstützung" für ihre Entscheidung zu. Westerwelle erklärte, die Liga habe mit ihrer Entscheidung "ein wichtiges Zeichen" gesetzt.
Nach UN-Angaben wurden seit Beginn der Proteste in Syrien Mitte März mehr als 3500 Menschen getötet. Wie die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, starben am Samstag im ganzen Land mindestens sechs Zivilisten und neun Sicherheitskräfte bei Zusammenstößen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül