piwik no script img

Svenja Schulze zu 5 Jahre KlimaabkommenParis ist „quicklebendig“

Gastkommentar von Svenja Schulze

Auch wenn es erst durch Corona zu einem Rückgang der CO2-Emissionen gekommen ist: Umweltministerin Svenja Schulze lobt das Pariser Klimaabkommen.

Dort wo die Rahmenbedingungen stimmen, ist Solarstrom mittlerweile die günstigste Energiequelle Foto: Paul Langrock

F ünf Jahre ist es her, dass in Paris unter Freudentränen und standing ovations das Pariser Klimaabkommen aus der Taufe gehoben wurde. Delegierte aus über 190 Ländern lagen sich in den Armen, Al-Jazeera, die BBC und The Hindu feierten einen historischen Durchbruch: das Versprechen die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad, möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken und die Welt in der zweiten Jahrhunderthälfte klimaneutral zu machen.

Die Delegierten in Paris waren sich der Kühnheit ihrer Beschlüsse bewusst: das Einläuten einer Zeitenwende, das Ende des fossilen Zeitalters von Kohle, Öl und Gas. Aber so einig sich alle waren, so wenig war in diesem Augenblick klar, ob und wie die Transformation von jedem einzelnen Staat zu schaffen sein würde. Die in Paris beschlossenen nationalen Klimaziele begrenzten außerdem die Erderhitzung auf gerade mal 3-4 Grad Celsius. Es war von Anfang an klar, dass Paris nicht der Abschluss, sondern der Anfang eines Prozesses sein würde.

Wenig später kam die erste existenzielle Bewährungsprobe: Der neu gewählte US-Präsident kündigte den Ausstieg seines Landes an und löste weltweit Sorge aus, dass weitere Länder nachziehen würden.

Heute, fünf Jahre später, ist Donald Trump abgewählt. Sein Versuch, den Klimawandel kleinzureden, ist gescheitert. Kein Land ist seinem Beispiel gefolgt. Stattdessen sind überall auf der Welt klimafreundliche Lösungen auf dem Vormarsch.

Ein paar Beispiele:

Solar-und Windenergie setzen sich durch: Dort wo die Rahmenbedingungen stimmen, ist Solarstrom mittlerweile die günstigste Energiequelle. Die Kohle ist weltweit auf dem absteigenden Ast. Etliche Länder steigen um auf umwelt- und menschenfreundliche Alternativen. Darunter solche, die bisher als notorische Kohle-Verfechter galten, wie Südafrika und die Philippinen. Diese Dynamik sollte dazu führen, dass auch hier in Deutschland der Umstieg viel schneller erfolgt als bisher geplant. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) muss darauf ausgerichtet werden, dass wir deutlich vor 2050 100 Prozent erneuerbaren Strom produzieren. Die schon viel zu lang verschleppte Reform darf nicht dazu führen, dass Wind- und Solaranlagen nächstes Jahr vom Netz gehen. Sie muss den Ausbau massiv beschleunigen.

Mit dem Ausstieg von Anlegern und Fonds verliert die Kohle weiter an Boden. Globale Investoren setzen immer stärker auf „green finance“: Pensionsfonds und Versicherer, die rund 2,4 Billionen US-Dollar verwalten, haben sich verpflichtet, ihr gesamtes Portfolio auf netto-null Emissionen bis 2050 auszurichten. Der weltgrößte Verwalter und Besitzer von Infrastruktur, Maquire Asset Management, will das bis 2040 erreichen.

Eine ganze Menge Fortschritt in nur fünf Jahren

Die Elektromobilität ist längst keine Nischenlösung mehr, sondern nimmt global an Fahrt auf. Anleger reißen sich um Tesla-Aktien. In Deutschland hat sich der Anteil der E-Autos an den Neuzulassungen im Vergleich zu 2019 verfünffacht. Immer mehr Länder wollen schon bald nur noch klimafreundliche Autos zulassen: Kalifornien zum Beispiel ab 2035, einige europäische Nachbarn und Großbritannien noch früher. Fern- und Nachtzüge werden als Alternative wiederentdeckt.

Lange schien es, als ob energieintensive Industrien wie Chemie-, Stahl- und Zementwerke zwingend Treibhausgase ausstoßen müssen. Aber auch hier macht sich längst die Erkenntnis breit, dass Strom aus Erneuerbaren und grüner Wasserstoff das Geschäftsmodell für die Zukunft sichert. Staatlich geförderte Pilotanlagen zeigen, dass Stahl auch klimaneutral geht.

Das ist eine ganze Menge Fortschritt in nur fünf Jahren. Das hat bis 2019 – vor Corona – noch nicht dafür gereicht, dass die Emissionen weltweit sinken, aber das ist ein guter Anfang. Es wird immer besser verstanden, was durch die Klimakrise auf dem Spiel steht, für uns und kommende Generationen. Junge Leute fordern ihr Recht auf eine lebenswerte Zukunft ein. Sie mischen sich ein und packen mit an. Der Trend ist gesetzt.

Da wundert es nicht, dass sich weltweit immer mehr Länder immer mehr zutrauen im Klimaschutz. Das führt der heutige UN-Klimagipfel noch einmal deutlich vor Augen: CO2-Rekordhalter China will bis 2060 CO2-neutral werden. Japan, Südkorea, Südafrika, Kanada, Neuseeland und über andere streben die Klimaneutralität schon für 2050 an, wie auch Deutschland und die EU. In den USA kehrt mit Joe Biden und Kamala Harris eine ehrgeizige Klimapolitik ins Weiße Haus zurück.

Die EU hat gerade entschieden, ihr Klimaziel für 2030 auf mindestens 55 Prozent Treibhausgasreduktion gegenüber 1990 zu erhöhen. Wir haben damit das Tempo enorm angezogen, mit dem wir in den 20er Jahren CO2-Emissionen vermeiden. Das wird eine Herkulesaufgabe. Aber eine, die sich auszahlt: für Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit, für eine europäische Wirtschaft, die unsere Ressourcen schont und Abhängigkeiten verringert, für mehr Lebensqualität.

Als EU den Kurs korrigiert

Wir haben als EU den Kurs korrigiert geradewegs in Richtung Klimaneutralität. Wenn die jetzt beschlossenen mindestens 55 Prozent Reduktion bis 2030 erreicht werden, kann auch das große Ziel der Klimaneutralität bis 2050 Wirklichkeit werden.

Die Corona-Pandemie macht eine große Weltklimakonferenz in diesem Jahr unmöglich. Ich bin aber zuversichtlich, dass bis zum Treffen in Glasgow im nächsten Jahr viele weitere Länder ihre Ziele nach oben korrigieren – wie in Paris verabredet. Die Konjunkturprogramme zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise können bis dahin weltweit zum Treibstoff für den Klimaschutz werden.

Mit einem eigenen Klimaschutzgesetz hat Deutschland sichergestellt, dass wir es mit der Klimaneutralität bis 2050 ernst meinen und bei Bedarf nachsteuern. Der Europäische Green Deal und das neue EU-Klimaziel sorgen dafür, dass wir im europäischen Verbund handeln. Das Pariser Abkommen hat seine ersten Bewährungsproben bestanden. Es ist quicklebendig und zeigt heute mehr denn je, dass die Weltgemeinschaft die globalen Herausforderungen der Klimakrise annimmt und lösen kann.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Es hat auch andere Gründe warum der Gesamtausstoß an CO2 sich bisher nicht senkt. Wir machen leider das was wir gefühlt immer machen und verlagern unsere Probleme an einen Ort wo wir sie nicht sehen und sie auch noch geschickt aus vielen Statistiken streichen können. Wo werden unsere E-Autos hergestellt und wieviel Energie wird dabei verbraucht, woher kommen die Tonnen an Material für unsere Windräder, wo und zu welchem Bedingungen werden die seltenen Erden/Metalle abgebaut, wie viele Menschen sterben für unsere Energiewende? Wir zerstören unsere Umwelt leider weiter aber kaufen uns das Gewissen mit "grünen" alternativen frei. Wann wird endlich begriffen, dass wir unseren Lebensstil ändern müssen und unseren Konsum dabei drastisch reduzieren müssen anstatt alle Produkte durch scheinbar Nachhaltigere zu ersetzen....