Sunrise Reggaefestival in Burtenbach: Some Drum and Bass in Bayern
Das Sunrise Festival in Burtenbach ist eine Institution. In diesem Jahr gaben sich die Skatalites aus Jamaika die Ehre, aber auch Polizei in Zivil.
Burtenbach ist wie ausgestorben am Freitagabend. Per se nicht erstaunlich, ist Burtenbach doch eine kleine Gemeinde im bayerischen Schwaben. Allerdings findet in Burtenbach derzeit zum 15. Mal das Sunrise Festival statt, das sich Reggae und Ska widmet. Ich frage zwei junge Männer nach dem Weg, aber die Verständigung ist schwierig. „Suria“, sagt der eine, um zu erklären, warum er weder Deutsch, noch Englisch spricht, und hält mir sein Handy hin. Ich spreche auf Englisch, auf dem Display erscheint die arabische Übersetzung. Nach kurzem Hin und Her sitzen die beiden im Auto und weisen mir den Weg.
Auf der Bühne stehen The Skatalites, sie sind weder der Hauptact des Abends, noch des Festivals, aber die Headliner der Herzen. Die Skatalites sind eine legendäre Combo aus Jamaika, deren Mitglieder schon seit den 1950ern in der Musikszene der Insel aktiv waren. 1964 erschien ihr erstes Album. Bassist Val Douglas ist im fortgeschrittenen Alter und spielt sein Instrument daher entspannt im Sitzen. Wenn er mit Perkussionist Larry McDonald und Drummer Sparrow Thompson ohne den Rest der Band „some Drum and Bass“ spielt, wird nicht weniger als Musikgeschichte dargebracht – und von der Menge auch prompt gefeiert. Das Publikum in Burtenbach versteht was von dieser Musik.
180 Ehrenamtliche machen es möglich
Bauer Heinz kommt zum Merchandise-Stand, um sich sein T-Shirt abzuholen. Er hat die Wiesen gepachtet, auf denen sich einige der größten Künstler Jamaikas einmal mehr die Ehre geben. Auch die Organisatoren des Festivals, die Brüder Christoph und Sascha Völpel, stammen aus Burtenbach. Das Sunrise Festival ist längst eine Institution, es wäre kein Problem, es zu vergößern, mehr Tickets könnte man wohl leicht verkaufen, aber die Völpels wollen es familiär halten, hört man.
Sunrise ist ein Family Business, wobei sich die Familie während des Festivals um 180 Ehrenamtliche erweitert. Ohne sie würde es diese entspannte Party nicht geben, die nur durch Zivilpolizisten gestört wird, die rabiat einen Mann abführen, der sich einen Joint gedreht hat. Sonst gibt’s keine Probleme in Bayern, in dessen Landeshauptstadt bekanntlich jedes Jahr im Oktober ein Festival stattfindet, bei dem es ausschließlich um Drogenkonsum geht?
Die Prioritäten der Regierung
Die seltsamen Prioritäten der bayerischen Landesregierung zeigen sich auch hier: Die Energiewende sabotieren und an Teuer-Scheuer festhalten, der unsere Steuergelder in Milliardenhöhe zum Fenster rausschmeißt – gegenüber dem liberalen Bayern aber einen auf Law und Order machen, obwohl die Legalisierung von Marihuana nur noch eine Frage der Zeit ist.
Das aber tut der Atmosphäre keinen Abbruch. Man schüttelt den Kopf über das Polizeitheater, gibt sich dem Groove von Jamaika hin und hofft auf die kommende Wahl.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind