Südwestdeutsche Medienholding: Der stille Zeitungsriese des Südens
In Süddeutschland herrscht die SWMH mit einem Quasi-Monopol über den Zeitungsmarkt. Jetzt will sie sich aufspalten – doch das macht es nicht besser.

A nfang der Woche war es so weit. „Achtung, jetzt erzählt uns der alte weiße Mann was von früher und die Geschichtsstunde beginnt, sagt die Mitbewohnerin. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) hat, wie schon lange angekündigt, ihre regionale Berichterstattung in Bayern eingedampft. Nee, pardon, „neu ausgerichtet“, wie es in der Pressemitteilung in eigener Sache am Montag hieß.
Aus bislang sieben Regionalausgaben werden vier, was der Verlag nach dem Motto „weniger ist mehr“ natürlich als Fortschritt verkauft. Immerhin, sie geben auch zu, so wolle der Verlag „Aufwände und Kosten reduzieren“. Was im Klartext bedeutet, dass Redaktionsbüros dichtgemacht werden. Und auch für freie Mitarbeiter*innen gibt es künftig weniger Aufträge.
Nun ist die SZ vor allem als liberalere überregionale Zeitung bekannt. Doch ihr Kerngeschäft war und ist auch immer noch, zumindest in Oberbayern und München, die führende Lokal- und Regionalzeitung zu sein. Und das immer schön im Wettstreit mit dem konservativen Münchner Merkur der Ippen-Gruppe. Mit der Abstoßung der Regionalbüros setzt die Süddeutsche noch stärker aufs Überregionale. Und das in einer Zeit, in der sie (fast) wieder allein dasteht.
Denn die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), zu der das Blatt seit 2008 gehört, zerlegt sich gerade selbst und fusioniert neu. Lange Zeit agierte die Gruppe als ziemlich stiller und unbekannter Riese im Süden. Neben der eigentlichen SWMH, die ihre Anfänge in der Stuttgarter Zeitung hat und zu der sich später der Schwarzwälder Bote gesellte, konnten bislang auch die Medien-Union Ludwigshafen (Rheinpfalz) und die Neue Pressegesellschaft Ulm (Südwest Presse) gezählt werden. Dagegen wehren sie sich zwar gern mit Händen und Füßen, doch beide sind Hauptgesellschafter des SWMH-Ladens.
Der seit langem größte Deal auf dem Zeitungsmarkt
Letzte Woche wurde völlig überraschend das große „Auseinander!“ beim ziemlich undurchsichtigen Verlagsgeflecht verkündet. Die Stuttgarter Zeitung, ihre Schwester Stuttgarter Nachrichten, der Schwarzwälder Bote und weitere zugehörige Blätter sollen Ulm zugeschlagen werden. Als SWMH übrig bleiben dann die SZ und ein irgendwie nicht so richtig dazu passender Schwung kleinerer Regionalblätter in Hof, Coburg, Suhl und Bayreuth. Die Medien-Union der Familie Schaub will die Fachzeitschriften übernehmen. Das Kartellamt muss dem Ganzen formal noch zustimmen.
Das ist so ziemlich der größte Deal im deutschen Zeitungsmarkt der letzten Jahrzehnte. Die Pressekonzentration in Baden-Württemberg geht durch die Decke, die Pressevielfalt gerät noch stärker unter Druck. Und kein Schwein interessiert’s! Die Berichterstattung, von ein paar Fachdiensten abgesehen, geht gegen null.
„Und was haben wir diese Stunde gelernt?“, fragt die Mitbewohnerin. Dass die Medien und Journalisten sich im Auftrag der Gesellschaft um Lokaljournalismus kümmern und solches Verlagsgemauschel aufdecken müssen.
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