piwik no script img

Südwestdeutsche MedienholdingDer stille Zeitungsriese des Südens

In Süddeutschland herrscht die SWMH mit einem Quasi-Monopol über den Zeitungsmarkt. Jetzt will sie sich aufspalten – doch das macht es nicht besser.

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) hat ihre regionale Berichterstattung in Bayern eingedampft Foto: Rüdiger Wölk/imago

A nfang der Woche war es so weit. „Achtung, jetzt erzählt uns der alte weiße Mann was von früher und die Geschichtsstunde beginnt, sagt die Mitbewohnerin. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) hat, wie schon lange angekündigt, ihre regionale Berichterstattung in Bayern eingedampft. Nee, pardon, „neu ausgerichtet“, wie es in der Pressemitteilung in eigener Sache am Montag hieß.

Aus bislang sieben Regionalausgaben werden vier, was der Verlag nach dem Motto „weniger ist mehr“ natürlich als Fortschritt verkauft. Immerhin, sie geben auch zu, so wolle der Verlag „Aufwände und Kosten reduzieren“. Was im Klartext bedeutet, dass Redaktionsbüros dichtgemacht werden. Und auch für freie Mit­ar­bei­te­r*in­nen gibt es künftig weniger Aufträge.

Nun ist die SZ vor allem als liberalere überregionale Zeitung bekannt. Doch ihr Kerngeschäft war und ist auch immer noch, zumindest in Oberbayern und München, die führende Lokal- und Regionalzeitung zu sein. Und das immer schön im Wettstreit mit dem konservativen Münchner Merkur der Ippen-Gruppe. Mit der Abstoßung der Regionalbüros setzt die Süddeutsche noch stärker aufs Überregionale. Und das in einer Zeit, in der sie (fast) wieder allein dasteht.

Denn die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), zu der das Blatt seit 2008 gehört, zerlegt sich gerade selbst und fusioniert neu. Lange Zeit agierte die Gruppe als ziemlich stiller und unbekannter Riese im Süden. Neben der eigentlichen SWMH, die ihre Anfänge in der Stuttgarter Zeitung hat und zu der sich später der Schwarzwälder Bote gesellte, konnten bislang auch die Medien-Union Ludwigshafen (Rheinpfalz) und die Neue Pressegesellschaft Ulm (Südwest Presse) gezählt werden. Dagegen wehren sie sich zwar gern mit Händen und Füßen, doch beide sind Hauptgesellschafter des SWMH-Ladens.

Der seit langem größte Deal auf dem Zeitungsmarkt

Letzte Woche wurde völlig überraschend das große „Auseinander!“ beim ziemlich undurchsichtigen Verlagsgeflecht verkündet. Die Stuttgarter Zeitung, ihre Schwester Stuttgarter Nachrichten, der Schwarzwälder Bote und weitere zugehörige Blätter sollen Ulm zugeschlagen werden. Als SWMH übrig bleiben dann die SZ und ein irgendwie nicht so richtig dazu passender Schwung kleinerer Regionalblätter in Hof, Coburg, Suhl und Bayreuth. Die Medien-Union der Familie Schaub will die Fachzeitschriften übernehmen. Das Kartellamt muss dem Ganzen formal noch zustimmen.

Das ist so ziemlich der größte Deal im deutschen Zeitungsmarkt der letzten Jahrzehnte. Die Pressekonzentration in Baden-Württemberg geht durch die Decke, die Pressevielfalt gerät noch stärker unter Druck. Und kein Schwein interessiert’s! Die Berichterstattung, von ein paar Fachdiensten abgesehen, geht gegen null.

„Und was haben wir diese Stunde gelernt?“, fragt die Mitbewohnerin. Dass die Medien und Journalisten sich im Auftrag der Gesellschaft um Lokaljournalismus kümmern und solches Verlagsgemauschel aufdecken müssen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • "Die Pressekonzentration in Baden-Württemberg geht durch die Decke, die Pressevielfalt gerät noch stärker unter Druck."

    Einspruch: Wenn man Pressekonzentrationsforschung richtig versteht, gibt es außer in NRW und den Großstädten kaum mehr Mehrzeitungskreise als in Baden-Württemberg. Pressekonzentration wird unterschieden zwischen ökonomischer und publizistischer Pressekonzentration. V.a. letztere ist essentiell für den Pluralismus als Grundlage von Demokratie.

    Man schaue nur auf Schwäbische Alb und Schwarzwald, wo sich in manchen Kreisen vier Heimatzeitungen aus unterschiedlichen Verlagen Konkurrenz machen. Dass es um eine dieser Zeitungen eine Bieterschlacht gibt, wie im Fall des Zolleralbkurier zwischen Schwäbischem Verlag und Südwestpresse, ist äußerst selten. SWMH, Südwestpresse, Verlagshaus Karlsruhe, Schwäbischer Verlag und viele andere - kaum ein Bundesland hat so viele Verlagsgruppen, die sich Konkurrenz machen.

    Ganz anders dagegen Bayern mit seinen Einzeitungskreisen und nur einem Verlagshaus. Dort schreitet die Konzentration voran. Siehe die Passauer Neue Presse, die mal eben die Regensburger Mittelbayerische und den Ingolstädter Donaukurier schluckte.

  • Vielen Dank für den Beitrag!

  • Hab 20 Jahre lang die sz gelesen. Früher war sie mitte links. Das trifft heut nicht mehr zu meiner Meinung nach. Die Qualität ist anders und heut ist die Hälfte auf der landing page neoliberaler Propaganda Content. Ständig diese Coaching Tipps! Bin darum zur taz gewechselt. Bitte fangt hier ned auch mit den ewigen Coaching Artikeln an.