Südamerika und US-Präsident Trump: „America first“ nur im Norden
Donald Trump ist der GAU für die rechtsliberalen Regierungen Südamerikas. Die beginnen jetzt damit, enger zusammenzurücken.
D as Jahr 2016 war ein gutes für Südamerikas Rechtsliberale: In Argentinien stand Mauricio Macri für das Ende der zwölfjährigen Kirchner-Ära. In Peru stand mit Pedro Pablo Kuczynski ein waschechter Wirtschaftsliberaler an der Staatsspitze. In Brasilien putschten sie Dilma Rousseff aus dem Amt und setzten die illegale Regierung unter Michel Temer ein.
Während Kolumbien, Peru und Chile schon zuvor auf die USA ausgerichtet waren, setzten die neuen Regierungen in Brasilien und Argentinien nun ebenfalls auf Annäherung an die USA und neoliberale Öffnung der Ökonomien für den Weltmarkt. Und während Venezuelas Sozialismus des 21. Jahrhunderts weiter ins Chaos rutschte, fielen die kleinen Länder Bolivien und Ecuador kaum mehr ins Gewicht. Dann kamen die US-Wahl und Donald Trump.
Alle Staats- und Regierungschefs der Region hatten mehr oder weniger offen auf eine Präsidentin Hillary Clinton gesetzt. Argentiniens Präsident Mauricio Macri, der mit Trump in den 1980er Jahren geschäftlich zu tun hatte und ihn so bereits persönlich kannte, lehnte sich während des US-Wahlkampfs mit den Worten „ein Ausgeflippter, der Präsident werden will“ aus dem Fenster. Trump ist der GAU für Südamerikas neue rechtsliberale Regierungen.
Dass sein Slogan von „America first“ nur die USA meint, machte Trump allen auf dem Kontinent mit dem sofortigen Rückzug aus den unterschriftsreifen Transpazifischen Freihandelsabkommen (TPP) klar, von dem an der südamerikanischen Pazifikküste Mexiko, Peru und Chile betroffen waren. Einzig aus Peru und Chile kamen Verzweiflungsrufe, statt der USA möge das Abkommen nun eben unter Einbeziehung der Chinesen vereinbart werden.
Kleines Detail der Freundschaft: Zitronen
Dass südlich der US-Grenze die Rechten auf dem Vormarsch sind und die ungeliebten links-populistischen Regierungen ablösen, haben die USA gerade unter Obama gewürdigt. So war es beim Putsch 2009 in Honduras gegen Präsident José Manuel Zelaya, beim kalten Putsch 2012 gegen Paraguays Präsidenten Fernando Lugo und zuletzt beim Putsch gegen Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff. Dass Mauricio Macri die Vorgängerregierung in einer Stichwahl ablöste, war denn wohl auch die einzige Legitimation für Barack Obamas Argentinien-Besuch bei Macri am 24. März, ausgerechnet am Tag der Erinnerung an den Militärputsch von 1976, bei dem die USA ihre Finger mit im Spiel hatten.
Ein kleines Detail zeigt die Freundschaft: Argentinien ist eines der weltweit wichtigsten Anbauländer für Zitronen. Zwölf Jahre hatte Argentinien mit den USA darum gerungen, dass argentinische Zitronen wieder auf dem US-Markt verkauft werden dürfen. In seinen letzten Amtswochen hatte Obama den Import schließlich genehmigt. Trump, kaum im Amt, setzte die Vereinbarung außer Kraft.
Während Trump gegen die lateinamerikanischen Brüder und Schwestern aus Mexiko wetterte und den Mauerbau in die Wege leitete, fiel der Subkontinent in Schockstarre. Erst allmählich kommt Bewegung auf. Man habe sich auf Wunsch Mexikos zurückgehalten, begründete Argentiniens Außenministerin Susana Malcorra vor wenigen Tagen das Ende des Schweigen, nachdem Präsident Mauricio Macri mit seinem mexikanischen Amtskollegen Enrique Peña Nieto telefonierte und danach erstmals öffentlich Solidarität bekundete.
Trumps Polterpolitik könnte dazu führen, dass Lateinamerika unter neoliberalen Vorzeichen zusammenrückt. Die brasilianische Putschregierung hatte es vorgemacht, indem sie die sozialen Errungenschaften der linken Vorgängerregierung rigoros geschliffen hat. Argentiniens Präsident Mauricio Macri würde ebenso vorgehen, könnte ihn das soziale und gewerkschaftliche Protestpotenzial nicht im Zaum halten.
Reaktivierung von Mercosur vereinbart
Macri hatte von Beginn an eine Annäherung seines Landes an die freihandelsorientierte Pazifikallianz von Chile, Kolumbien, Mexiko und Peru gewollt. Gehindert hatte ihn bisher Argentiniens Mitgliedschaft in der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur. Der Mercosur wurde 1991 von Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay gegründet. Im Juli 2012 wurde Venezuela als weiteres Mercosur-Vollmitglied aufgenommen. Seit Venezuelas Mitgliedschaft vorübergehend suspendiert ist, ist die größte Bremse ausgeschaltet. Die Rivalität zwischen dem Mercosur und der Pazifikallianz hatte zwar schon zuvor deutlich nachgelassen, doch Trumps Politik könnte die Annäherung der Blöcke erheblich beschleunigen.
Anfang Februar flog Macri zu seinen ersten offiziellen Besuch nach Brasilien. „In einem Moment der Zerrissenheit, der Isolation und des Protektionismus antworten Argentinien und Brasilien mit mehr Annäherung, Dialog und mehr Handel“, versicherte Brasiliens Präsident Temer dabei. Vereinbart wurden die Reaktivierung des Mercosur und die Suche nach Handelsabkommen mit der EU sowie der Pazifikallianz.
Dass Argentiniens Präsident handelspolitische Initiative zeigt, verwundert nicht. Sein Regierungsprogramm basiert auf Wirtschaftsliberalisierung und der erfolgreichen Suche nach ausländischen Investitionen. Sollte ihm dabei die Rolle eines regionalen Leaders zufallen, wäre das allenfalls ein Nebenprodukt. Seit dem Abgang des Dreigestirns Néstor Kirchner (Argentinien), Lula da Silva (Brasilien) und Hugo Chávez (Venezuela) ist die Position verwaist. Die drei hatten in den Nullerjahren auf eine eigenständige südamerikanische Politik gepocht. Die Union Südamerikanischer Nationen (Unasur, 2008) und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac, 2011) waren als Gegengewicht zur US-dominierten Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gegründet worden. Was den Abbau von Handelsschranken untereinander angeht, waren sie jedoch wenig erfolgreich.
Wiederbelebung des Mercosur und Annäherung an die Pazifikallianz sowie zwischen dem Mercosur und der Europäischen Union sind bisher nur verbale Reaktionen auf die neue US-Politik. Die Verhandlungen über den konkreten Abbau von Zöllen und den anderen sogenannten nichttarifären Handelshindernissen sind noch nicht geführt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl