Südafrika in der Krise: Pulverfass am Kap
Arbeitslosigkeit, mangelnde soziale Sicherheit, Ungleichheit und explodierende Gewalt: Die Folgen der Coronapandemie in Südafrika sind erschreckend.

W er irgendwann einmal Lehrbücher über die verheerenden sozialen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie schreibt, sollte ins südliche Afrika fahren. In keiner anderen Region der Welt haben so viele Menschen so sehr unter den Folgen erst der grassierenden Seuche und dann der harten Lockdown-Maßnahmen zu ihrer Eindämmung gelitten, während zugleich bitter notwendige Impfprogramme durch den Egoismus der reichen Industrienationen verzögert wurden.
In der Regionalorganisation SADC (Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika) verloren seit 2019 ein Viertel aller Beschäftigten ihren Arbeitsplatz, hat die Entwicklungsorganisation Oxfam ausgerechnet. Soziale Sicherheit gibt es für sie nicht. Die sechs reichsten Männer der Region – vier in Südafrika und je einer in Tansania und Simbabwe – steigerten im gleichen Zeitraum ihren Wohlstand um über 40 Prozent auf knapp 28 Milliarden US-Dollar – der Zuwachs allein, so Oxfam, hätte Covid-Impfungen für alle im gesamten südlichen Afrika finanzieren können.
Die Krise hat bereits in der Demokratischen Republik Kongo und Mosambik Bürgerkriege neu aufflammen lassen, in Sambia und Malawi beißen sich unter großen Hoffnungen neu gewählte Präsidenten an den widrigen Verhältnissen die Zähne aus, und in Angola, Simbabwe und Eswatini halten sich alte Autokratien mit Gewalt an der Macht. In Südafrika erodiert die Autorität des regierenden ANC immer weiter. Schwere Unruhen forderten vor knapp einem Jahr über 300 Tote, und dieses Jahr könnte ähnlich explosiv werden. Schon vor der Pandemie war Südafrika das ungleichste Land der Welt. Die Pandemie hat das weiter verschärft.
Die horrende Kriminalitätsstatistik, die Südafrikas Regierung jetzt veröffentlicht hat – 153 Vergewaltigungen und 67 Morde pro Tag –, verdeutlicht, was den Alltag vieler Menschen prägt: Gewalt im Privatleben sowie Willkür der organisierten Kriminalität, deren Grenzen zu den Machthabern zusehends verwischen. Ähnlich wie Befreiungsbewegungen in anderen Ländern der Region hat es auch Südafrikas ANC nicht vermocht, ein gerechteres Entwicklungsmodell zu entwerfen. Jetzt sitzt er auf einem Pulverfass.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Nichtwähler*innen
Ohne Stimme