piwik no script img

Sudans Beziehungen zu IsraelNormalisierung mit Vorbehalt

Nach den Emiraten und Bahrain will auch Sudan Beziehungen zu Israel aufnehmen. Im Land findet der Schritt nicht nur Befürworter.

Sudans Übergangsregierungschef Abdalla Hamdok Foto: Hannibal Hanschke/reuters

Nairobi taz | Seit Monaten wurde spekuliert; kurz vor der US-Wahl ist es nun so weit: Nach den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain hat auch Sudan unter US-Vermittlung eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel beschlossen. Beide Länder wollten „Frieden schließen“, sagte US-Präsident Donald Trump am Freitag, Sudan und Israel bestätigten. Die Übergangsregierung in Khartum stößt mit dem Schritt im eigenen Land allerdings auf Kritik.

Die wirtschaftliche und humanitäre Verzweiflung wurde ausgenutzt

Politologe Mohammed Abdul Aziz

Sudans Annäherung an Israel war eine von zwei Bedingungen für die Streichung Sudans von der US-Terrorliste, die Washington bereits eingeleitet hat. Die andere hat Sudan ebenfalls erfüllt: Umgerechnet mehr als 300 Millionen Euro wurden an die USA gezahlt, als Entschädigung für US-Opfer von Terroranschlägen in den neunziger Jahren in Kenia, Tansania und Jemen, die nach US-Ansicht von Sudans 2019 gestürztem Diktatur Omar Hassan al-Bashir unterstützt wurden. Khartum betont aber ausdrücklich, die Zahlung sei kein Schuldeingeständnis.

Durch die Streichung von der US-Terrorliste erhält Sudan Zugang zu internationalen Finanzhilfen. Das Land steckt in einer Wirtschaftskrise. Es mangelt an Brot. Katastrophale Überschwemmungen haben dieses Jahr viele Ernten vernichtet. Die Inflationsrate liegt mittlerweile im dreistelligen Bereich.

„Die wirtschaftliche und humanitäre Verzweiflung wurde ausgenutzt“, findet der Politologe Mohammed Abdul Aziz. „Dies wird die Unterstützung in der Bevölkerung für die Übergangsregierung untergraben. Es schwächt den Premierminister gegenüber jenen, die sich seinen Reformen widersetzen.“ Die Übergangsregierung ist eine fragile Zusammenarbeit von Generälen und der einstigen zivilen Protestbewegung gegen Bashir.

Druck von USA und Sudans Militär

Sudans Vizeaußenminister Omar Gamar Eddin Ismail erklärte, die Normalisierung der Beziehungen müsse vom Parlament ratifiziert werden. Ein solches existiert allerdings noch gar nicht; Wahlen sind erst für 2022 vorgesehen.

Zwar ist bis dahin ein Übergangsparlament vorgesehen, gebildet wurde es aber bislang nicht. Die Übergangsregierung allein habe nicht das Mandat, Beziehungen mit Israel aufzunehmen, hatte vor Wochen Übergangsregierungschef Abdalla Hamdok gesagt: „Es erfordert zunächst eine eingehende Diskussion in unserem Land.“

Druck kam nicht nur aus den USA, sondern auch aus Sudans Militär. Präsident Abdel Fattah al-Burhan und Vizepräsident Mohamed Hamdan Dagalo, einflussreiche Generäle aus der Bashir-Ära, sind starke Befürworter einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel. „Wir brauchen Israel, es ist ein entwickeltes Land“, sagte Dagalo. „Wir können von solchen Beziehungen profitieren.“

Doch die Zivilisten in der Regierung wie auch weite Teile der Bevölkerung sind dagegen. Eine Umfrage des Arabischen Zentrums für Forschung und politische Studien ergab, dass nur 13 Prozent der Sudanesen diplomatische Beziehungen zu Israel befürworten. Die Parteikoalition NCF (National Consensus Forum), Teil der Protestbewegung gegen Bashir, bezeichnet Beziehungen zu Israel als Verfassungsbruch.

Geteilte Meinungen im Sudan

1967 hatte Sudan mit anderen arabischen Ländern eine Resolution angenommen, um die Rechte der Palästinenser zu unterstützen. Sie wurde bekannt als die „drei Neins“: kein Frieden mit Israel, keine Anerkennung Israels, keine Verhandlungen.

Sudans Oppositionsführer Sadiq al-Mahdi, Leiter der Umma-Partei, glaubt, dass Beziehungen mit Israel nicht nur dem Frieden im eigenen Land schadeten, sondern auch dem Frieden im Mittleren Osten. Am Wochenende bekräftigte er seine Ablehnung der Normalisierung und bezeichnete Israel als „Apartheidstaat“.

Es gibt aber auch andere Meinungen, vor allem unter Geschäftsleuten. Der frühere Abgeordnete und Geschäftsmann Abu al-Qasim Borto sagte der Times of Israel, er sei für Beziehungen und wolle so schnell wie möglich mit einer Unternehmerdelegation nach Israel reisen. „Bashir war gegen Israel, jetzt ist es Hamdok. Sudans politische Elite geht immer noch den gleichen Weg. Es ist Zeit für etwas anderes.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare