Sudanesisch-libysche Beziehungen: Hametti und Haftar, zwei Warlords im Aufwind
Die RSF-Miliz in Sudan und die LNA-Parallelregierung in Libyen arbeiten zusammen gegen ihre Regierungen. Sie haben mächtige Freunde in Moskau und Dubai.
 
Die Miliz RSF (Rapid Support Forces) hat die Stadt El Fasher in Darfur eingenommen und damit nach anderthalb Jahren Belagerung das militärische Patt im Krieg gegen Sudans Armee zu ihren Gunsten gebrochen. Nun kontrolliert die Miliz im Westen Sudans ein Gebiet von der Größe Frankreichs.
Darfurs Reichtum an Gold und fruchtbaren Böden hat RSF-Anführer Mohamed Daglo Hamdan, genannt Hametti, zum gefragten Verbündeten der Vereinigten Arabischen Emirate und dem libyschen Feldmarschall Haftar gemacht, der mit seiner LNA (Libysche Nationalarmee) den Osten Libyens beherrscht. Hametti und Haftar bekämpfen beide die international anerkannten Regierungen ihrer Länder. Im Sommer setzte diese Allianz einen gut vorbereiteten Plan um, der nun in die Eroberung von El Fasher mündete.
Augenzeugen berichteten bereits von massiven Konvois, die sich vom Flughafen der südlibyschen Wüstenoase Kufra in Richtung des Almuthallath genannten Dreiländerecks von Libyen, Ägypten und Sudan bewegen. Die offenbar nagelneuen Toyota Pick-ups und Luftabwehrgeschütze waren mit Iljuschin-76-Transportmaschinen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten eingeflogen worden. An den riesigen Flugzeugen fehlten zwar die Hoheitszeichen, aber Experten von ItalMilRadar und Menschenrechtsorganisationen verfolgen schon seit Jahren deren regelmäßigen Flugrouten zwischen Dubai und Flughäfen im Osten Libyens und Tschad und bestätigen die Angaben.
Waffen nach Sudan, Gold nach Libyen
Das Center for Information Resiliance (CIR) hat zudem Beweise für ein Trainingscamp der RSF in der Nähe von Kufra gefunden. Aufnahmen von RSF-Kämpfern zeigen Fahrzeuge, mit denen in Südlibyen trainiert wurde und die später bei den RSF-Angriffen auf das Flüchtlingslager Zamzam am Stadtrand von El Fasher im vergangenen April im Einsatz waren, Vorbote der Einnahme der Stadt selbst.
In Sudan liefern sich Einheiten der Armee und der paramilitärischen RSF-Miliz (Rapid Support Forces) seit dem 15. April 2023 Kämpfe im ganzen Land. Der Machtkampf setzt den Bemühungen zur Demokratisierung Sudans vorläufig ein Ende.
Seitdem wurden immer wieder Angriffe aus Libyen gestartet. Seit der Einnahme der sudanesischen Seite des Dreiländerecks durch die RSF herrscht an der sowieso nur auf Landkarten, nicht aber in der Realität sichtbaren Grenze zu Libyen reger Verkehr. Libysche Quellen aus Kufra berichten der taz, dass RSF-General Hamdane al-Kajli, der Sicherheitschef von RSF-Anführer Hametti, und andere hochrangige Kommandeure der Miliz seit Jahresbeginn zwischen Libyen und Darfur pendeln.
Der in Ost- und Südlibyen herrschende Feldmarschall Haftar bestreitet, mit Hametti und der RSF zu kooperieren. Denn einer von Haftars wichtigsten Verbündeten ist Ägyptens Präsident al-Sisi. Die ägyptische Armee steht in Sudan an der Seite der Regierungsarmee und bildet dessen Offiziere aus.
Die vielfach dokumentierten emiratischen Waffenlieferungen an die RSF über Kufra und an Haftars Armee über den Flughafen Al Khadim verletzt gleich zwei Waffenembargos. Doch für Berlin und andere westliche Hauptstädte sind die Emirate ein Partner. Die offen gegen den politischen Islam auftretenden Scheichs haben ihre Beziehung zu Israel im Rahmen der Abraham-Abkommen normalisiert. Die Hälfte des kanadischen Rüstungsexports ging letztes Jahr an den Golf, bei der Recherche zu RSF-Waffenquellen habe man auch kanadische Waffen gefunden, so ein CIR-Mitarbeiter. Wie die Menschenrechtsaktivisten in Südlibyen, mit denen die taz sprach, möchte er anonym bleiben.
Das emiratisch-libysch-sudanesische Netzwerk kontrolliert nicht nur die Nachschubrouten von Bengasi nach Darfur. In entgegengesetzte Richtung wird auf den Ladeflächen der Toyota Pick-ups Gold nach Libyen gebracht und in Lastwagen Vieh und landwirtschaftliche Produkte transportiert.
Im wüstenartigen Grenzgebiet zwischen Libyen und Tschad schuften Migranten in den provisorischen Schächten der Goldgräberstädte, die dort seit 2014 entstanden sind. Sudanesische Experten wurden dort angeheuert, wegen ihrer jahrzehntelangen Erfahrung in den Goldminen Darfurs, die jetzt unter RSF-Kontrolle stehen.
Sollte die RSF ihre Macht über Darfur langfristig festigen können, kontrollieren Haftars LNA und Hamettis RSF zwei riesige autonome Gebiete. Im sogenannten libyschen Ölhalbmond südwestlich von Bengasi liegen einige der größten Öl- und Gasvorkommen Afrikas, zudem werden dort wie in Darfur viele noch unangetastete Goldvorkommen vermutet.
Ungewöhnliche Allianzen
Dieser Reichtum, der aus Sicht vieler westlicher Beobachter irrelevanten Region, hat weitere ungewöhnliche Allianzen geschaffen. Am Montag landete erstmals seit dem Sturz der Assad-Diktatur in Syrien Ende 2024 wieder eine Militärmaschine der russischen Luftwaffe aus Syrien im libyschen Al Khadim. Gestartet war die Antonow auf der russischen Luftwaffenbasis Khmeimim im syrischen Latakia.
Seit Jahren nutzt Russland Libyen als Basis für Afrika-Einsätze seiner Söldner, an den Goldminen Südlibyens und in Darfur verdiente der Sicherheitsdienstleister Wagner mit. Haftars Armee ist mit russischen Waffen ausgerüstet, dieser Bruch des auch für die LNA geltenden Waffenembargos gegen Libyen wird von UN-Experten immer wieder kritisiert, aber in Europa wenig beachtet.
Denn Haftar ist auch einer der wichtigsten Partner bei der Flüchtlingsabwehr in Nordafrika. Vor zehn Jahren war es noch die RSF in Sudan, die als damalige Grenztruppe von Sudans Militärregime die Flüchtlingsrouten vom Horn von Afrika aus über Sudan Richtung Libyen und das Mittelmeer abriegelte und dafür europäische Finanzhilfe erhielt. Nun hat der RSF-Krieg Millionen Sudanesen in die Flucht getrieben, die Behörden im ostlibyschen Bengasi haben mehr als eine Million registriert. Haftars Armee soll sie und auch die vielen nach einer besseren Zukunft suchenden Ägypter davon abhalten, per Boot nach Europa zu kommen. Regelmäßig kommen auch Delegationen der US-Armee zu Haftar, sie sehen den Feldmarschall als Partner gegen die erstarkenden islamistischen Milizen in der Sahara.
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