Suchtabteilung im Klinikum Emden: Zu wenig Platz für Abhängige
In Emden müssen Betten auf der Suchtstation leer bleiben. Personal fehlt. Für Betroffene bedeutet das längere Wartezeiten – und eine höhere Belastung.
Konkret seien „krankheitsbedingte Personalengpässe“ in der Fachpflege Psychiatrie derzeit das Problem. Da auf der Station die Patient:innen von speziell ausgebildeten Mitarbeitenden betreut würden, sei es nicht möglich, die Plätze in verschiedenen Bereichen der Klinik einzusparen und die Belastung so aufzuteilen. Man suche „intensiv“ nach neuem Personal für den Bereich.
Um die sechs aktuell leeren Betten auf der Suchtstation Emden zu schaffen, seien keine Menschen vorzeitig entlassen oder verlegt worden, sagt Janssen. Anfragen, die man derzeit nicht erfüllen könne, würden in Zusammenarbeit mit umliegenden psychiatrischen Kliniken bearbeitet. „Unter anderem auch im eigenen Klinikverbund“ mit der Ubbo-Emmius-Klinik in Norden.
Das Problem Personalmangel ist nicht neu. Zuletzt klagten Pflegeeinrichtungen und Kliniken in der inzwischen abflauenden Corona-Sommerwelle besonders laut über Ausfälle, die den ohnehin vorhandenen Mangel verschärften. Betten wurden nicht belegt, Stationen sogar vorübergehend dichtgemacht.
Warten schwer auszuhalten
Dass es jetzt die Suchtstation in Emden trifft, ist für Betroffene bitter, weiß Harald Spreda. Der Sozialarbeiter und Suchttherapeut leitet die Beratungsstellen der Diakonie in Emden und Leer. Hierher kommen Menschen, die unter Alkohol-, Medikamenten-, Medien- oder Glücksspielsucht leiden, „in Einzelfällen auch Abhängige von illegalen weichen Drogen“.
Ihren Konsum haben seit Beginn der Pandemie knapp ein Drittel der Konsument:innen illegaler Drogen erhöht. Das steht in einer Studie, die das Bundesgesundheitsministerium zitiert. 2021 ließ das Ministerium
. Gleich mehrere zitierte Studien ermittelten einen Anstieg des Internet- und Medienkonsums.Vor allem junge Menschen rauchen und trinken laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse aus dem April 2021 öfter.
Auch die ambulante Versorgung war mindestens vorübergehend schlecht: Beratungsstellen waren geschlossen, die Organisation von Substitutionsbehandlungen erschwert, Gruppen zum Austausch fanden nicht statt.
Wenn sich Klient:innen für einen Klinikaufenthalt in Emden entscheiden, liege die Wartezeit in der Regel bei ein bis drei Wochen, sagt Spreda. „Mittlerweile muss man von vier bis fünf Wochen ausgehen.“ Das sei für Betroffene schwer auszuhalten.
Denn: „Wer wirklich etwas unternehmen möchte und sich für eine Entgiftung entscheidet, ist meist schon in einer sehr kritischen Situation“, sagt Spreda, „gesundheitlich und sozial.“ Die Schwierigkeit sei, dann so viel Geduld aufzubringen und sich auch weiter mit Drogen wie Alkohol zu versorgen.
Klient:innen könnten nicht einfach aufhören zu konsumieren – sie seien also gezwungen, weiter zu trinken, bis sie aufgenommen werden. Sofern sie sich überhaupt noch selbst versorgen könnten. „Häufig stehen auch verzweifelte Angehörige dahinter, die mit der Situation nicht mehr zurechtkommen.“
Die Klinik in Emden versuche herauszuhören, so Spreda, wo besonders dringender Handlungsbedarf bestehe. Das eigentliche Problem, der Personalmangel, könne es aber auch nicht abstellen. Dafür brauche es bessere Arbeitsbedingungen, mehr Wertschätzung und Geld für die Bereiche Pflege, aber auch Sozialarbeit, sagt Spreda. „Das kann kein Klinikum vor Ort ändern, da haben wir ein Umverteilungsproblem.“
Die Beratungsstelle versuche, für abgewiesene Klient:innen auch Kontakte zu anderen Kliniken im Umkreis zu vermitteln. Doch auch dort gebe es Wartezeiten. Und nicht alle Kliniken seien für alle Indikationen geeignet. Wer mit der Abhängigkeit auch schwere psychiatrische Begleiterkrankungen wie eine Psychose habe, könne zum Beispiel auf der Station in Weener im Landkreis Leer nicht behandelt werden.
Nachdem im Jahr 2020 aufgrund des Lockdowns die Anzahl der Klient:innen von Spreda zurückgegangen war, haben er und seine Kolleg:innen in Emden 2021 einen Anstieg um 18 Prozent erlebt – in Leer sei es sogar noch gravierender. Kolleg:innen aus anderen Fachstellen bestätigten dies, sagt Spreda. Es gebe „deutliche Anhaltspunkte“ dafür, dass sich Suchterkrankungen während Corona verschärft hätten.
Eskalation im Homeoffice
Wobei es für Betroffene sehr unterschiedlich sei: „Manchen unserer Klienten kam es ganz gelegen, dass Bars dicht hatten und Partys nicht stattfanden.“ Bei anderen Menschen, die bereits vor der Pandemie einen auffälligen Konsum gehabt hätten, sei es durch Homeoffice und Lockdown zu einer „Eskalation“ der Situation gekommen. Genau lasse sich aber noch nicht sagen, welche Auswirkungen Corona auf diese Krankheiten hat.
Auch weil Suchtproblematiken nicht plötzlich entstünden, sagt Spreda: „Die Probleme werden oft erst deutlich, wenn man aus einer speziellen Situation wieder rausgeht. Wenn jemand sehr viel alleine war und eine Kontrolle am Arbeitsplatz hatte, ist das vermehrte Trinken vielleicht nicht aufgefallen.“ Nach und nach werde dann aber deutlich, dass man nicht mehr auf das Niveau von vorher zurückkomme. Diese Menschen seien jetzt natürlich noch nicht im Hilfesystem erfasst.
Ähnlich sei es bei der Mediensucht. Es sei durchaus legitimiert, die Freizeit allein im Lockdown hauptsächlich über das Internet zu gestalten. „Das wird erst auffällig, wenn man von dem Level nicht mehr runterkommt.“
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