Suche nach neuer EU-Flüchtlingspolitik: Debatte um Seehofers Pläne
EU-Türkei-Deal retten und Griechenland helfen: Außerhalb der Union scheint der Innenminister damit auf größere Zustimmung zu stoßen als in den eigenen Reihen.
Der SPD-Innenpolitiker Helge Lindh sagte, er begrüße Seehofers Versuch, den EU-Türkei-Deal zu retten und Griechenland bei der Bewältigung der vielen Asylprüfungen zu helfen. Lindh betonte, es gehe nicht darum, jeden Migranten in Europa aufzunehmen, „Rückführungen aus Griechenland müssen auch stattfinden“. Deutschland selbst müsse Anträge von in der Türkei und in Griechenland festsitzenden Menschen auf Familienzusammenführung in Deutschland schneller bearbeiten.
„Es ist gut, dass Seehofer endlich verstanden hat, dass es eine europäische Lösung braucht, und dass das Dublin-Verfahren nicht funktioniert“, sagte die flüchtlingspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Luise Amtsberg. Gleichzeitig warnte sie davor, die Türkei beim Grenzschutz zu unterstützen. Dies wäre vor allem wegen der zuletzt stark gestiegenen Zahl türkischer Flüchtlinge falsch.
„Wenn wir der Türkei bei der Versorgung und Integration syrischer Flüchtlinge helfen, dann ist das richtig. Wir dürfen aber nicht dazu beitragen, dass verfolgte Türken ihr Land nicht mehr verlassen können“, sagte Amtsberg. Im August hatten 1.306 türkische Staatsbürger in Deutschland Asyl beantragt. Damit stellten sie nach den Syrern (2.927) die zweitgrößte Gruppe.
Seehofer hatte bei seinem Besuch in Ankara am Donnerstag gesagt, die türkische Regierung werde eine Liste zusammenstellen mit Punkten, bei denen Deutschland helfen könne. Denkbar sei etwa Unterstützung bei der Grenzüberwachung.
Die Welt zitierte aus einem Bericht der EU-Kommission, wonach Griechenland bis zum Jahresende mit der Ankunft von etwa 25.000 weiteren Migranten rechnet. In den ersten neun Monaten dieses Jahres waren dort nach UN-Angaben rund 45.600 Migranten eingetroffen. Mehr als 35.800 von ihnen kamen über das Meer.
Fraktionschef Brinkhaus distanziert sich
Die Bundesregierung hatte sich im September mit Frankreich, Italien und Malta auf einen Verteilmechanismus für Bootsflüchtlinge, die von Libyen und Tunesien aufgebrochen sind, geeinigt. Beim Innenministerrat am Dienstag sollen weitere EU-Staaten zum Mitmachen bewegt werden. Die Übergangslösung sieht vor, dass aus Seenot gerettete Migranten binnen vier Wochen auf die am Mechanismus teilnehmenden EU-Staaten verteilt werden.
Vorgesehen ist, dass die Vereinbarung bei einem starken Anstieg der Zahl der Schlepperboote sofort ausgesetzt werden kann. Seehofer hatte die Aufnahme von je einem Viertel der Geretteten in Deutschland in Aussicht gestellt,
„Das C in unserem Namen gebietet, Menschen aus Seenot zu retten. Da gibt es keine Kompromisse“, sagte Brinkhaus den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das andere sei die Frage, welches Signal man sende, wenn man pauschal 25 Prozent der geretteten Flüchtlinge aufnehmen wolle. Schlepperorganisationen dürften dadurch nicht ermutigt werden.
Er betonte: „Das war eine Initiative des Innenministers, nicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Wir werden uns die Pläne von Horst Seehofer daher sehr genau anschauen.“ Die FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg sagte, der Verteilmechanismus setze falsche Anreize. Sie forderte: „Wenn es zur Entscheidung kommt, muss Ralph Brinkhaus den Innenminister zurückpfeifen.“
Seehofer verteidigte seinen Plan. Der Welt am Sonntag sagte er: „Wir nehmen seit knapp eineinhalb Jahren von jedem Boot, das vor Italien oder Malta anlegt, Flüchtlinge in Deutschland auf. In den letzten 15 Monaten haben wir 225 Personen übernommen. Das ist kein Geheimnis und darüber gab es bisher keine Debatten.“
Pro Asyl: „nebulös und ungenügend“
Der Innenminister arbeitet auch an Plänen für ein neues System zur Verteilung von Asylsuchenden in Europa. Hintergrund ist, dass die Dublin-Regeln, wonach jeder seinen Antrag im Prinzip in dem EU-Land stellen muss, wo er zuerst registriert wurde, oftmals schwer durchzusetzen ist. Ein Alternativmodell wäre ein Verteilmechanismus mit festen Aufnahmequoten für die einzelnen EU-Länder, so wie jetzt in der Malta-Vereinbarung vorgesehen.
Da sich einige Staaten – vor allem in Osteuropa – bislang gegen eine Quotenlösung sperren, wird überlegt, welchen anderen Beitrag diese Staaten leisten könnten – oder ob sie mit sanktioniert werden sollten, etwa indem sie von bestimmten Förderprojekten ausgeschlossen werden.
Pro Asyl nannte die Zusagen Deutschlands an Griechenland und die Türkei „nebulös und ungenügend“. Geschäftsführer Günter Burkhardt forderte Seehofer auf, den geplanten Verteilschlüssel für die zentrale Mittelmeerroute auch auf Schutzsuchende in Griechenland und auf Zypern auszuweiten. Die Drei-Monats-Frist für die Beantragung von Familiennachzug müsse verlängert werden, da sie für Angehörige, „die in einem griechischen Lager im Morast sitzen“ zu kurz sei.
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