Sturz von AfD-Fraktionschefin gescheitert: Bayerns Rechte im Chaos
Die Mehrheit der eigenen Abgeordneten stellt sich gegen die bayerische AfD-Fraktionschefin Ebner-Steiner. Trotzdem bleibt sie auf ihrem Posten.
Die Fraktionsführung dürfte damit überhaupt die einzige in einem deutschen Parlament sein, die entgegen dem Mehrheitswillen der eigenen Leute auf ihrem Posten verharrt.
Das drastische Zerwürfnis unter den bayerischen Rechtspopulisten gelangt damit an die breite Öffentlichkeit. Dabei geht es in erster Linie nicht um einen politischen Richtungsstreit, sondern um persönliche Verwerfungen. Hauptzielscheibe des Zorns ist die 41-jährige Ebner-Steiner aus Niederbayern, die dem „Flügel“ des Rechtsextremisten Björn Höcke nahesteht. Ihr Co-Vorsitzender Ingo Hahn gilt für AfD-Verhältnisse als moderat, aber völlig dominiert von Ebner-Steiner.
Der Münchner AfD-Abgeordnete Uli Henkel, der zu den Gegnern gehört, sagt im Gespräch mit der der taz: „Das Signal lautet: Hallo, lieber Fraktionsvorstand, wir wollen von dir nicht mehr geführt werden. Du kannst ab sofort nicht mehr für uns sprechen.“ Bei diesem Abstimmungsergebnis sollte ein Politiker beschließen: „Ich packe mein Ränzlein und gehe.“ Über die Motive von Ebner-Steiner sagt Henkel: „Es ist die nackte Gier nach Macht und Privilegien, nach Geld und dem dicksten Dienstauto.“ Vielfach wird außerdem geklagt, dass von der Vorsitzenden kaum inhaltliche Impulse ausgingen, sie im Plenum wenig spreche und im Haushaltsausschuss nicht oft präsent sei.
Absurdes Theater
Kritiker Uli Henkel sagt über die Weiterhin-Vorsitzende: „Ein einziges Ego beherrscht den ganzen Laden, sie überlagert alles mit ihrer Selbstüberschätzung.“ In der Vergangenheit machten Berichte die Runde über sündhaft teures Büro-Mobiliar oder darüber, dass die E-Mail-Accounts der eigenen Abgeordneten ausgespäht wurden, weil die sich kritisch über die Führung äußerten.
Während der entscheidenden Sitzung im Saal 3 des bayerischen Landtags am Mittwochnachmittag treten immer wieder einzelne Abgeordnete mit angespannten Gesichtern aus dem Raum, gehen wortlos an den wartenden Journalisten vorbei und kommen nach einer Weile wieder zurück. Die Gegner hatten am Vorabend eigentlich 14 Abgeordnete auf ihrer Liste, das hätte zur Abwahl gereicht, doch zwei sind wieder abgesprungen.
Nach der Abstimmung tritt zuerst Ingo Hahn vor die Presse. Der 49 Jahre alte Geografie-Professor – ein AfD-Mitarbeiter bezeichnet ihn als „charming boy“ – wirkt recht fahrig. „Wir sind der legitim gewählte Vorstand“, sagt er, ohne die Niederlage bei der Abstimmung überhaupt zu erwähnen. „Fahren wir jetzt fort mit unserer Arbeit.“
Dann kommt Katrin Ebner-Steiner aus dem Sitzungssaal hinzu. Die Bilanzbuchhalterin trifft genauso wenig einen sicheren Ton wie ihr Co-Vorsitzender Hahn. „Die ganze Partei ist bundesweit in Unruhe“, sagt sie und meint damit wohl den derzeit tobenden Machtkampf um den Parteiausschluss von Andreas Kalbitz. Man wolle sich nun „lieber der Sacharbeit widmen“, sagt Ebner Steiner.
Es wirkt wie im absurden Theater, wenn sie meint: „Wir sorgen hier für Stabilität.“ Die Bürger seien „draußen auf der Straße“ und demonstrierten gegen die Corona-Politik, die wolle man unterstützen. In den sozialen Medien gebe es „herausragenden Zuspruch“ für die Arbeit des Fraktionsvorstands. Über ihre internen Gegner meint Ebner-Steiner: „Ich will mit diesen Menschen zusammenarbeiten.“ In den Pfingstferien werde sie mit jedem einzelnen Abgeordneten sprechen.
Wilde Mischung
Die zwölf namentlich bekannten Gegner bilden eine Mischung aus vermeintlich „Liberalen“, wie Henkel sich sieht, und Sympathisanten des offiziell aufgelösten „Flügels“. Der Abgeordnete Ralph Müller etwa war jener, der bei der Gedenkminute für den ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Landtag nicht aufgestanden, sondern auf seinem Platz sitzen geblieben war.
Ralf Stadler, auch einer der zwölf, wurde wegen einer Fotofälschung bekannt: Er hatte ein Bild von Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) mit Kindern und Luftballons so manipuliert, dass auf den blauen Ballons das Logo „AfD“ stand und dieses Foto im Internet veröffentlicht.
Und Uli Henkel schwärmt von der CSU-Ikone Franz Josef Strauß und wähnt sich in dessen Tradition. Mit den elf Mitstreitern bildet er bei der AfD die Mehrheit, die auch in der Lage sei, über den Vorstand hinweg Politik zu machen, wie er sagt: „In der Fraktion können wir jetzt unsere Forderungen deutlich leichter durchsetzen.“
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