Studis besetzen Hörsaal in Göttingen: Klimaprotest an der Uni
Im Hörsaal in Göttingen können keine Vorlesungen stattfinden: Aktivist*innen besetzen ihn. Die Uni zeigt sich offen, will den Raum aber zurück.
![Der besetzte Hörsaal mit Plakaten und einem Podium Der besetzte Hörsaal mit Plakaten und einem Podium](https://taz.de/picture/5873728/14/IMG-4355-1.jpg)
International will End Fossil in diesem Herbst Universitäten und Schulen besetzen. In Deutschland gibt es über 20 Gruppen. Die Göttinger Besetzung stelle in Deutschland den Auftakt der Protestwelle dar. „Schulstreiks haben eine große Wirkung gezeigt“, sagt Lucas. „Schwänzen Studierende die Uni, fällt das aber kaum auf.“ Mit Besetzungen wolle End Fossil an die Schulstreiks anschließen und Aufmerksamkeit auf klimapolitische Themen lenken.
Auch an die Uni in Göttingen richten die Besetzer*innen Forderungen. „Es braucht eine Transformation der Lehre“, sagt Rabea. Die Auswirkungen der Klimakrise sollten in der Uni stärker im Fokus stehen. „Wir fordern, dass Studierende besser darauf vorbereitet werden“, so die Aktivistin. Sie und andere schlagen ein Modul zu „Grundlagen der Klimakrise“ für alle Studierenden vor.
Weiterhin fordern sie den Ausbau des „Green Office“, welches sich für Nachhaltigkeit an der Universität einsetzt. „Das 'Green Office’ ist mit nur einer vollen Stelle unterfinanziert“, sagt Lucas. Bei der Verteilung von Geldern wünschten sich die Aktivist*innen grundsätzlich mehr Transparenz und Mitspracherecht.
Uni-Präsident Tolan diskutiert mit den Besetzer*innen
Die Universitätsleitung stehe mit den Besetzer*innen im Kontakt, heißt es seitens der Pressestelle. Das bestätigen die Aktivist*innen. Uni-Präsident Metin Tolan ist am Dienstagmittag sogar im Hörsaal erschienen, um öffentlich mit den Besetzer*innen zu diskutieren. „Wir dürfen erst mal bleiben“, sagt Lucas danach.
Das Gespräch sei aus Sicht von End Fossil gut verlaufen. Beide Seiten stimmten überein, dass in Sachen Klimapolitik gehandelt werden müsse. Offen bliebe aber die Frage nach der Finanzierung. „Uns ist bewusst, dass Universitäten in Niedersachsen nur über begrenzte Mittel verfügen“, sagt Lucas. Es sei daher umso wichtiger, dass sich die Universitäten in die aktuellen Koalitionsverhandlungen einbringen.
Unstimmigkeit zwischen Präsidium und Besetzer*innen besteht vor allem in der Frage nach der Raumnutzung. Thomas Richter, Sprecher der Universität, sagt: „Wir würden uns wünschen, dass die Vorlesungen im Hörsaal in der ersten Woche des Semesters stattfinden können, die Besetzung dafür aber nicht unterbrochen werden muss.“ Dies sei, so Rabea, jedoch „nicht im Sinne der Besetzung“. Es gebe genug Ausweichmöglichkeiten.
Im Foyer hat die Universität laut Richter einen „Not-Hörsaal“ eingerichtet, für etwa 200 Personen – in den besetzten Raum würden hingegen mehr als 800 Personen passen. Doch hier wollen die Aktivist*innen ihr eigenes Programm durchziehen: Vorträge, Workshops, Diskussionen, gemeinsame Kochaktion und Essen auf Spendenbasis.
Auch Schüler*innen besetzen mit
Das Präsidium schlägt vor, so Richter weiter, dass die Besetzer*innen „Raum für ihr Anliegen bekommen und die Dozierenden in ihren Vorlesungen das Thema Klima einbauen“. Dafür signalisieren die Aktivist*innen Offenheit: „Dozierende können gerne auf uns zukommen und mit uns absprechen, wie sie das Thema Klimawandel in ihre Veranstaltungen einbauen“, sagt Rabea.
Erste Professor*innen hätten sich bereits an die Besetzer*innen gewandt. Und die Diskussion mit Tolan war kurzerhand der Auftakt einer politikwissenschaftlichen Vorlesung, die in dem Hörsaal eigentlich im Rahmen der ersten Vorlesungswoche hätte stattfinden sollen.
Unter den Aktivist*innen seien nicht nur Studierende, sondern auch Schüler*innen, so Lucas. End Fossil wolle über die Universitäten heraus wirken.
Es ist die zweite Besetzung in Göttingen innerhalb eines Monats. Anfang Oktober hatten Aktivist*innen die Alte JVA am Waageplatz besetzt und hier die Einrichtung eines sozialen Zentrums gefordert. Die Besetzung wurde zwei Tage später geräumt, nachdem die Stadt Göttingen einen Strafantrag wegen Hausfriedensbruch gestellt hatte. Ähnliche Aktionen liegen in Göttingen länger zurück: Zuletzt hatten Aktivist*innen 2018 ein leerstehendes Wohnheim besetzt. Sie forderten die Unterbringung geflüchteter Menschen und weiterer Wohnungssuchender in dem Gebäude.
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