Studie zur deutschen Familienpolitik: Das Land der glücklichen Mamis

Familienministerin Kristina Schröder stellt eine Studie vor, in der ihre Politik prima weg kommt. Frauenarmut? Fehlende Kitaplätze? Schwamm drüber!

Kristina Schröder fühlt sich familienpolitisch wie im Regenbogenland – dabei heißt so nur die Kita, die sie hier besucht. Bild: dpa

BERLIN taz | Die familienpolitischen Leistungen in Deutschland erfüllen größtenteils ihren Zweck. Das erklärte Familienministerin Kristina Schröder (CDU) am Donnerstag, als sie in Berlin vor Journalisten eine Studie vorstellte, die diese Leistungen insgesamt auswertet. Vieles komme an den richtigen Stellen an, so die Ministerin. Das gelte besonders für Kindergeld und Kinderzuschlag, die oft armutsvermeidend wirkten.

Allerdings: Schröder hatte die Zielrichtung verändert, unter der die Familienpolitik ihrer Regierung evaluiert werden sollte: Stand ursprünglich die „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ – und damit die Berufstätigkeit beider Eltern als Schutz vor Armut – an erster Stelle der fünf Ziele, rückte nun die „Wahlfreiheit“ der Familien, ihre Kinder zu Hause oder in der Kita zu betreuen, auf Platz eins. Vor diesem Hintergrund erscheint dann etwa das Betreuungsgeld ganz sinnvoll.

Was für diese „Gesamtevaluation“ offenbar nicht mehr als wichtiges Ziel galt: Frauen in Deutschland zu ermöglichen, ihre eigene Existenz zu sichern und damit auch Kinderarmut zu vermeiden. Das hätte auch das Ziel der Regierung sein können – nachzulesen im ersten Gleichstellungsbericht aus dem Hause Schröder. Aber bei der Pressekonferenz verloren Kristina Schröder und Finanzminister Wolfgang Schäuble darüber kein Wort.

Manches wurde sogar verniedlicht: Wenn man Kindern täglich vorlese und vorsinge, dann hätte Armut keinen negativen Einfluss, zitierte Schröder aus der Studie. Was sie nicht erwähnte: dass es sich dabei um Zwei- bis Dreijährige handelt – und nicht etwa ältere Kinder, deren Eltern das Geld für Klassenfahrten und die bei ihren Altersgenossen angesagte Kleidung nicht aufbringen können.

Wahlfreiheit bedeute, so Schröder, „auf die Anmaßung zu verzichten, ein bestimmtes Rollenverhalten vorgeben zu wollen“. Nur die Hälfte der Eltern mit Kindern unter drei Jahren wünschten sich eine aushäusige Betreuung. Den anderen solle der Staat nicht als „Gouvernante“ gegenübertreten, meinte sie. Dass noch tausende Kitaplätze fehlen, blieb unerwähnt.

Umstrittenes Ehegattensplitting

Im Übrigen, so Schröder, bewahre sogar das vielgescholtene Ehegattensplitting viele Ehepaare vor der Armut. Dass diese Form der Besteuerung von Ehepaaren auch mit der Altersarmut vieler Frauen zu tun hat, weil sie einfach zu wenig Geld verdienten: kein Thema. Dass alleinerziehende Väter und Mütter von der an die Ehe gekoppelte Leistung nicht profitieren, kinderlose Ehepaare aber umso mehr, wurde durch wolkige Hinweise auf das von den Unionsparteien geplante „Familiensplitting“ aufgefangen. Diese Steuerreform käme laut dem Wirtschaftsinstitut DIW aber nur reicheren Familien zugute.

Die Familienpolitik, so wie die Ministerin sie jetzt beschrieb, wirkte erstaunlich abgehoben von der deutschen Realität: als gäbe es nur glückliche Mamis und Papis, die nie ihre Partnerschaft auflösen. Und wo Mami nichts dagegen hat, nach langer Jobpause später auf dem Arbeitsmarkt abgehängt zu werden.

Kritisch äußerte sich daher unter anderen der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV): 20 Prozent alle Familien sind laut VAMV Einelternfamilien. „In der Familienpolitik fehlt ein roter Faden mit Blick auf den Lebensverlauf“, hieß es in einer Reaktion des Verbands auf die Studie der Ministerin. Geringe oder unterbrochene Berufstätigkeit führen dazu, dass die Einkünfte von Frauen im Rentenalter um 58 Prozent unter denen der Männer liegen.

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