piwik no script img

Studie zur IntegrationspolitikDefizite in der Bildung

Die deutsche Gleichbehandlungspolitik ist laut der MIPEX-Studie „eine der schwächsten“. Nur Italien, Island und Japan schnitten noch schlechter ab. Lob gibt es auch.

Trotz aller Bemühungen fehlen Lösungen für das große Leistungsgefälle im Bildungswesen. Foto: dpa

Berlin afp | Im Umgang mit Migranten hinkt Deutschland laut einer Studie bei Bildung, Gesundheitsfürsorge und Anti-Diskriminierung hinterher. Nach dem vierten Migrant Integration Policy Index (MIPEX) erreicht Deutschland bei der Antidiskriminierungs- und Gesundheitspolitik im internationalen Vergleich lediglich Platz 22 und gehört damit „eher zu den schwach abschneidenden Ländern“, wie der Rat für Migration (RfM) in der am Mittwoch in Berlin vorgestellten Erhebung feststellt. Insgesamt sei Deutschland bei der Integration aber „gut aufgestellt“ und liege mit 61 von 100 möglichen Punkten über dem Durchschnitt (52 Punkte) aller 38 untersuchten Länder.

Die Studie beschäftigt sich ausschließlich mit der Rechtslage und der Integrationspolitik der untersuchten Länder. Deutschland schneide vor allem in den Bereichen Arbeitsmarkt (Rang 4) und Einbürgerung (Rang 3) gut ab. Es sei „zu erkennen, dass sich die späte Einsicht darüber, ein Einwanderungsland zu sein, endlich in Politik und Gesetzgebung wiederfindet“, erklärte der RfM-Vorsitzende Werner Schiffauer.

Je stärker Deutschland sich als Einwanderungsland definiere, desto mehr Reformen seien in den entsprechenden Politikbereichen nachweisbar, erklärte der RfM, ein bundesweiter Zusammenschluss von rund hundert Wissenschaftlern. Der Index zeige, „wie stark politische Entscheidungen von veränderten Sichtweisen abhängen“.

Die unterschiedlichen Bewertungen Deutschlands in für die Integration wichtigen Rechts- und Politikbereichen offenbarten aber auch Spannungen: „Einerseits werden Berufsabschlüsse häufiger anerkannt und Integrationsangebote für Neuzuwanderer geschaffen, andererseits werden rassistische Straftaten noch immer nicht gesondert erfasst, Fälle von Diskriminierung nicht einheitlich statistisch erfasst und selten zur Anzeigen gebracht“, kritisierte Naika Foroutan von der Berliner Humboldt-Universität. Diskriminierungsopfern werde der Rechtsweg in Deutschland erschwert.

Ein großes Leistungsgefälle

Zudem sei die deutsche Gleichbehandlungspolitik „eine der schwächsten“, nur Italien, Island und Japan schnitten noch schlechter ab, kritisierte der Rat. Auch die deutsche Antidiskriminierungsstelle sei vergleichsweise „mit wenig Macht ausgestattet“. Auch europaweit sei es „noch immer die Regel“, dass Fälle von Diskriminierung nicht gemeldet würden. In Deutschland sei dies „ein noch größeres Problem“. Der Rat forderte, Antidiskriminierungspolitik und Engagement gegen Rassismus „konsequent als“ Teil von Integrationspolitik zu verstehen und eine bessere Erfassung von Verstößen zu fördern, wie auch von den Vereinten Nationen angemahnt.

Defizite gebe es auch weiterhin im Bildungswesen: Trotz aller Bemühungen in der Integrationspolitik würden hier keine neuen Wege beschritten, kritisierte Foroutan. Es herrsche weiterhin ein großes Leistungsgefälle zwischen Schülern ohne und mit Migrationshintergrund. Bildung und Gesundheitsfürsorge müssten Teile einer „ganzheitlichen Integrationspolitik“ werden.

In anderen Bereichen lobten die Experten Fortschritte Deutschlands, etwa auf dem Arbeitsmarkt, wo Nicht-EU-Bürger nun „annähernd gleiche Rechte genießen“ und von „wesentlich besseren Anerkennungsverfahren profitieren“. Insgesamt sei Deutschland „eines des wenigen Industrieländer, in denen sich die Einstellungen gegenüber Integration verbessern“.

Erstmals wurde der MIPEX, der die Teilhabe-Chancen von Migranten beleuchtet, im Jahr 2004 veröffentlicht. Untersucht werden zentrale Politikbereiche wie Arbeitsmarktmobilität, Bildung, politische Partizipation, Einbürgerung und seit diesem Jahr auch Gesundheit in allen 28 EU-Mitgliedstaaten sowie in zehn weiteren Ländern, darunter die USA, Kanada, Japan, Norwegen, die Türkei, die Schweiz und Australien.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • ich zeige Euch mindesten 3 Grossfamilien, Türken , Kurden, mit je 7 Kindern, soweit Sie es altersmässig sind, alle mit Abitur, guten Stellungen, einer ist jetzt bei der Polizei, eine andere ist angehende Zahnärztin usw usw

  • Es würde mich wundern, wenn die Ergebnisse der Studie nicht unseren Fachmann für Diskriminierung, Herrn Sarrazin gleich wieder mit seinen hinlänglich widerlegten Thesen auf den Plan rufen würden. Diejenigen, die sich davon angesprochen fühlen sollten, werden diese mit Sicherheit nicht als Weckruf auffassen. Dazu lassen sich Statistiken und Studien zu leicht zu eigenen Gunsten auslegen. Und ein "gut aufgestellt" mit überdurchschnittlichen Punkten reicht allemal, um sich, selbstzufrieden auf die Schultern klopfend, in die Hängematte zurücksinken zu lassen ;)