piwik no script img

Studie zu TTIP und CetaKommunen werden kaputtgemacht

Deutsche Kommunen verlieren durch Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada an Einfluss. Die politische Gestaltungsmacht wird ausgehebelt.

Selbst die Krankenhausplanungen könnten durch die Freihandelsabkommen obsolet werden Bild: dpa

BERLIN taz | Ein europäisches Freihandelsabkommen mit den USA oder mit Kanada – das klingt für die deutschen Gemeinden weit weg. Doch die Kommunen könnten einen großen Teil ihrer politischen Gestaltungsmacht verlieren – ob bei Mietpreisbremsen, Gewerbeansiedlungen, öffentlichen Krankenhäusern oder der Abfallbeseitigung. Dies ist das Ergebnis einer neuen Kurzstudie des Bürgernetzwerkes Campact.

Die europäischen Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (Ceta) sollen nämlich Investorenschutzklauseln enthalten. Sie würden es amerikanischen oder kanadischen Firmen erlauben, vor internationalen Schiedsgerichten gegen den deutschen Staat zu klagen, wann immer sie sich „indirekt enteignet“ fühlen oder ihre „legitimen Erwartungen“ enttäuscht sehen.

Die Campact-Studie führt einige detaillierte Beispiele auf: Kommunale Krankenhäuser erhalten oft Ausgleichszahlungen vom deutschen Staat. Schon jetzt gehen private Kliniken dagegen vor – bisher sind sie allerdings gezwungen, sich an die deutsche Justiz zu wenden. So läuft in Baden-Württemberg gerade ein Musterprozess: Der Bundesverband Deutscher Privatkliniken (BDPK) hat den Landkreis Calw verklagt, weil dieser seine Kreiskrankenhäuser unterstützt. Das Landgericht Tübingen wies die Klage zwar ab, aber der BDPK kündigte schon an, in Berufung zu gehen.

Private Krankenhausketten wie Fresenius haben bereits Aktionäre, die wie der Vermögensverwalter BlackRock aus den USA stammen. Sobald die Abkommen abgeschlossen sind, könnten sie vor internationale Schiedsgerichte ziehen.

Auch bei vielen Supermarktketten und Einkaufszentren sind amerikanische Investoren beteiligt. Sie könnten sich künftig dagegen wehren, wenn Städte nicht beliebig viele Malls zulassen.

Während TTIP noch verhandelt wird, ist Ceta bereits weitgehend abgeschlossen: Am 25. September soll der Vertrag in Ottawa unterzeichnet werden. Die Ratifizierung dürfte mindestens zwei Jahre dauern, weil alle 28 nationalen Parlamente in der EU gefragt werden müssen – und auch der Deutsche Bundesrat.

Bei der Vorstellung der Campact-Studie war Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer dabei. Der grüne Realo wollte sich nicht eindeutig festlegen, ob er Ceta und TTIP ablehnen wird. „Ich bin gegen Verschwörungstheorien.“

Gleichzeitig stellte er aber klar: Sollte der Investorenschutz in den Verträgen unverändert bleiben, „macht das Tübingen kaputt.“ Dann würde er die Freihandelsabkommen ablehnen. „Aber dafür muss man nicht Grüner sein. Dann müssen sich alle Kommunen wehren.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • 3G
    3618 (Profil gelöscht)

    Interessant ist, dass es schon diverse Freihandelsabkommen gibt und auch weitere in der Pipeline sind. Da ist dann allerdings die EU der stärkere "Partner" und es bedeutet für die beteiligten Länder, dass sie ihre Märkte desn hochsubventionierten europäischen Waren öffnen müssen, was die heimische Existenz der Kleinbauern, des Handwerks, des gerade aufstrebenden Mittelstandes zugunsten großer Konzerne ruiniert.

    http://www.umweltinstitut.org/themen/verbraucherschutz-ttip/freihandelsabkommen/ttips-geschwister.html

    http://www.abl-ev.de/spezialseiten/abl-artikel/details/browse/5/article/indien-wachsender-widerstand-gegen-eu-freihandelsabkommen.html?tx_ttnews%5BbackPid%5D=226&cHash=d5a67e69369ea76a23e5753dedf88ef0

    http://www.dw.de/eu-setzt-afrika-unter-druck/a-16789150

     

    Das zeigt, dass es nicht um Europa gegen die USA/Kanada geht, sondern um den Kampf der Konzerne gegen die Bürger, egal, wo sie leben.

    • @3618 (Profil gelöscht):

      Europa ist abgeschottet, er wandern jedoch illegal mit Hilfe von lebensgefährlichen Boote über Libyen arme Afrikaner ein, die ihr Glück in der EU versuchen wollen. Dasselbe geschieht über den Landweg und Griechenland mit Menschen aus Asien, zB Afghanen, Bangla Deshi. Dieselbe Situation zwischen den USA und Mexiko mit einem riesigen Zaun. Das ist ein Hauptkonflikt, den Sie vergessen. Wenn die Zäune fallen würden, wären alle jetzt beklagten hypothetischen rechtlichen Einschränkungen ein Witz gegenüber der radikalen Veränderung des deutschen Arbeitsmarktes, - wenn es eine relativ freie Einwanderung gäbe.

      • 3G
        3618 (Profil gelöscht)
        @Gabriel Renoir:

        Komisch, Sie antworten auf etwas, was ich nicht geschrieben habe.

        Wenn die Menschen in diesen Ländern dort eine Lebensgrundlage hätten, würden sie nicht auswandern.

        Mit dieser irrsinnigen Freihandelspolitik, mit Landgrabbing etc., wobei die Konzerne sehr gerne auf die Hilfe der korrupten Politiker (entgegen dem heuchlerischen Geklage über die Korruption) zurück greifen, wird ihnen gerade diese Lebensgrundlage entzogen.

        Also, diese vielen Freihandelsabkommen schaden den Bürgern und nutzen einzig den Konzernen.

        Erinnert sei daran, dass irgendein französischer Konzern vor einem Schiedsgericht gegen die Mindeslohnerhöhung um ca.30 Cent gegen Ägypten klagt.

        • @3618 (Profil gelöscht):

          Die illegalen Einwanderer in die EU sind Städter und Mobile, keine Umgesiedelten wg Land grabbing. Man stelle sich die fruchtbare rheinische Tiefebene vor, die aber unbedingt von ein paar Wanderschäfern genutzt werden soll. Das ist die Situation in Garbella. Und dann wird die äthiop. Regierung kritisiert, wenn sie das Land an Landwirte verpachtet, die investieren und den 10-fachen Ertrag rausholen. Sollen die Äthiopier ewig in Armut leben? Dasselbe mit den Staudämmen: Das wird kritisiert. Die Äthiopier sollen also ewig mit diesen vielen Fliegen (Trachoma), irgendwelchen seltsamen künstlerischen Bemalungen abends am Feuer sitzen, denn Strom aus Staudämmen gefährdet ja diese indigene Lebensart, also so ein Art Museum soll man unterhalten.

  • Was die kommunalen Krankenhäuser angeht: Öffentliche Krankenhäuser sollen auf jeden Fall geschützt werden. Bei der Vergütung und Auswahl der Medikamente liegen jedoch immense Einsparmöglichkeiten: Es wird unglaublich viel Nutzloses abgerechnet inkl. homöopathische Medikamente, andererseits wird bei neuen und teuren Medikamenten viel zu wenig Druck gemacht. Eine gute und neue Hepatitis-C-Behandlung mit der Pille von Sovaldi kostet in Deutschland 100.000€, während es in Ägypten dasselbe für 1000€ gibt. Persönlich würde ich immer eine private Klinik meiden aufgrund des ungebremsten Gewinnstrebens dort. Andererseits dümpelt die Wirtschaft in der EU vor sich hin und benötigt dringend Anreize. Dazu gehören Handelserleichterungen. Letztlich geht es bei den Schiedsgerichten um Kontinuität in der Politik. Ein Zickzackpolitik ist quatsch. Ich kenne auch keinen Fall, wo ein Staat entsprechend einem Schiedsgerichtsurteils bezahlt hat. Entweder wurde das abgelehnt oder im höchsten Fall gab es einen Vergleich.

  • Diese Schiedsgerichte, die zum TTIP gehören, nennen sich zwar "Gerichte",

    haben aber mit Gerichten nichts zu tun.

    Im Gegensatz zu Gerichten sind sie nicht öffentlich, es sitzen dort auch keine

    Richter, sondern Anwälte, und Berufung gibts auch nicht.

    Der Beschluss eines solchen "Schiedsgerichtes" ist allerdings für Staaten

    verbindlich, denn nur Unternehmen ("die Investoren") können diese

    "Schiedsgerichte" anrufen, aber keine Staaten.

    Neue Umweltgesetze dürften damit nicht mehr möglich sein, ohne große

    Summen für entgangenen Gewinn an Investoren zu zahlen.

    Übrigens ist ein Ausstieg, eine Kündigung, beim TTIP nicht möglich,

    es ist ein Abschluss für die Ewigkeit.

    Hoffentlich informieren sich viele Menschen über dieses TTIP -

    es ist direkt gegen die Bürger der beteiligten Länder gerichtet.

  • Ich finde es schon seltsam, wenn Fachminister wie Sigmar Gabriel so vertrauensvoll auf die Fairness von Investoren setzen und so riskante Abkommen unterzeichnen würden, die nicht nur unsere Demokratie und unseren Staat, unsere Kommunen und nicht zuletzt uns selbst als Steuerzahler derart gefährden. Er kann, was TTIP und das drohende TISA und als Einfallstor dazu CETA als deren Vorgänger in allen relevanten Punkten betrifft noch nicht einmal lässig erklären, dass er schon wisse, worauf zu achten ist. Wenn er das (auch im Einklang mit der Kanzlerin und ihrer Partei) unterzeichnet, dann weiss zumindest jeder Bürger Deutschlands, wem er die möglichen katastrophalen Folgen zu verdanken hat, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist und die EU nach Ratifizierung von lachenden Investoren nach allen Regeln der Kunst mithilfe der Schiedsgerichte über den Tisch gezogen sein wird.

     

    Diese Partei wird sich dann der FDP bei künftigen Wahlen anschließen dürfen. Denn die KanzlerInnen-Partei wird sich wie immer geschickt aus der Affäre zu ziehen und den "wahren Schuldigen" zu benennen wissen.

    • @noevil:

      Wenn Sigmar Gabriel auf vertrauensvolle Fairness der Investoren setzt, dann ist das so, als wollte er fleischfressende Raubtiere zu Vegetariern umdefinieren.

      Schöne neue Welt ... aber Raubtier bleibt Raubtier, ob im Urwald oder als Niete in Nadelstreifen an der Börse.

       

      Es gilt nach wie vor der alte Lehrsatz:

      "Wer hat uns verraten ? --> Sozialdemokraten !"

      • @Maharishi:

        Ich weiss nicht, ob wir uns schon jetzt verraten fühlen müssen. Noch ist CETA ja nicht unterzeichnet. Noch besteht Hoffnung, denn das Abkommen muss ja auch noch ratifiziert werden von den 28 EU-Mitgliedsstaaten. Aber ich finde, sehenden Auges darf das nicht sein. Und das muss nicht gegen die Szialdemokratie insgesamt gerichtet sein, denn die hat auch schon viel Gutes bewirkt. Die CDU sollte aber trotzdem nicht auch noch im Nachhinein Recht bekommen mit der alten herablassenden Unterstellung, die SPD könne nun mal nicht ... mit Wirtschaftspolitik... Es geht um eine Sache, die uns allen im Endeffekt sehr zu schaden droht. Damit kann u.U. mehr in unserer heilen Welt ins Wanken geraten als wir uns vorstellen können.

         

        Nicht selten hüllt sich ja so mancher in wissendes Schweigen und in Wahrheit weiss er nichts.

         

        More about that

         

        https://www.campact.de/Ceta-stoppen