Studie zu Subventionen für Viehbranche: 13 Milliarden für Tierwirtschaft
Die Fleisch-, Milch- und Eierproduktion subventioniert der Staat mit hohen Summen, sagen Umweltaktivisten. Neue Steuern für mehr Tierwohl lehnen sie ab.
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An zweiter Stelle liegen mit 2,9 Milliarden Euro die Direktzahlungen – die wichtigste Art von EU-Agrarsubventionen – für den Anbau von Futter. 2,7 Milliarden Euro zahle Deutschland für die Agrarsozialpolitik zugunsten von Höfen, die vor allem von der Tierhaltung leben. Der Staat bezuschusst zum Beispiel die Kranken-, Renten- und Unfallversicherung für die Landwirtschaft.
Dazu kommen zahlreiche Subventionen, die kaum bekannt sind – und teilweise eine kuriose Geschichte haben. „Landwirtschaftliche Zugmaschinen sind seit gut hundert Jahren in Deutschland von der KFZ-Steuer befreit“, heißt es in der Studie. „Die Steuerbefreiung sollte die Motorisierung der Land- und Forstwirtschaft vorantreiben.“ Doch auch im vergangenen Jahr hätten Viehhalter und Futtermittelerzeuger darüber 254 Millionen Euro Steuern erlassen bekommen.
Den Dieselkraftstoff für die Trecker subventioniert Deutschland ebenfalls: Laut Studie sparten die Tierhalter durch diese Steuervergünstigung 238 Millionen Euro. Die Umsatzsteuer-Pauschale speziell für die Landwirtschaft bringe ihnen 130 Millionen Euro. Zudem finanzieren viele Bundesländer Landwirtschaftskammern und Landesanstalten unter anderem zur Beratung der Bäuer*innen. Der Anteil der Tierhalter*innen betrage 208 Millionen Euro.
Kritik an neuen „Tierwohl“-Subventionen
Und es kommen immer wieder neue Programme hinzu: Als Reaktion auf die Bauernproteste im Winter 2019 beschloss die Bundesregierung, die Landwirtschaft zusätzlich zu den laufenden Subventionen mit einem „Investitionsprogramm Landwirtschaft“ in Höhe von 816 Millionen Euro zu unterstützen. Das Geld soll laut Agrarministerium vor allem für Technik im Zusammenhang mit Gülle ausgegeben werden. 2020 brachte die Behörde ein Programm zum tierfreundlicheren Stallumbau auf den Weg – Kostenpunkt: 300 Millionen Euro.
„Hinzu kommen viele weitere Förderungen, für die nicht genug Daten zugänglich sind, um eine fundierte Schätzung vorzunehmen. Es ist entsprechend davon auszugehen, dass die tatsächliche Summe deutlich höher liegt“, schreiben die Tierrechtler*innen. Es lasse sich zum Beispiel bisher nicht ermitteln, wie viel es der Tierwirtschaft bringt, dass die reduzierte Mehrwertsteuer auch für Futtermittel und lebendes Vieh gilt.
Viele der Aktivist*innen kritisieren diese Subventionen, weil sie die ökonomische Nutzung von Tieren grundsätzlich ablehnen. Denn sie verursache „massive Leiden“ etwa bei Rindern, Schweinen und Geflügel. Außerdem trage die Tierwirtschaft maßgeblich zur menschengemachten Klimakrise bei, schädige die Umwelt beispielsweise durch zu viel Gülle und gefährde die Gesundheit der Bevölkerung. Der hohe Verbrauch von Antibiotika in Ställen etwa sei eine Ursache dafür, dass Krankheitserreger zunehmend resistent gegen diese Medikamente werden. Sowohl Kleinbäuer*innen als auch Arbeiter*innen in der Fleischindustrie würden ausgebeutet.
Deshalb lehnt das Bündnis den Vorschlag der von Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) berufenen Kommission unter ihrem Amtsvorgänger Jochen Borchert ab, der Branche mehrere Milliarden Euro zu zahlen, damit sie ihre Tiere etwas besser hält. Mit „weiteren Fördermilliarden werden die untragbaren Zustände noch einmal auf Jahrzehnte hin zementiert“, warnen die Aktivist*innen. Sie fordern deshalb, konkrete Ziele festzulegen, um bis 2030 mindestens 80 Prozent der aktuellen Tierbestände abzubauen und den Konsum tierischer Produkte entsprechend zu reduzieren.
„Das Geld für die notwendige wie auch machbare Transformation ist da“, schreiben die Autor*innen. „Die öffentlichen Gelder, die derzeit in diese Industrie fließen, müssen stattdessen dazu genutzt werden, eine ökologische und solidarische Agrarwende zu finanzieren.“
„Die Studie ist sehr detailliert und gut recherchiert“, sagte Professor Sebastian Lakner, Agrarökonom an der Universität Rostock, der taz. „Gleichzeitig impliziert sie, ausnahmslos alle Tierhaltung sei problematisch“, kritisierte Lakner. „Mir ist das zu einseitig. Es gibt Flächen, die wir nur mit Tierhaltung nutzen können.“
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