Studie zu Sachverständigengremien: Selten um Rat gefragt
Der Bundestag und die Bundesregierung holen sich Expertise oft aus der Wirtschaft und der Wissenschaft. Die Zivilgesellschaft bleibt häufig außen vor.
Sogenannte Sachverständigengremien beraten etwa die Ausschüsse des Bundestags und die Bundesministerien. Sie werden laut der Studie immer wichtiger, was man zum Beispiel an der zentralen Rolle des Deutschen Ethikrats während der Coronapandemie gesehen habe.
Ihre Aufgabe ist es, im Gesetzgebungsprozess neutralen Rat zu geben. Das grenze sie, zumindest in der Theorie, vom Lobbyismus als „interessengeleitete Beratung“ ab, schreiben die Studienautorinnen. Praktisch finde aber auch in Gremien häufig eine Aushandlung verschiedener Interessen zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft statt. Daher sei es überraschend, dass Vertreter:innen aus der Zivilgesellschaft einen derart geringen Anteil ausmachen, Wirtschaftsvertreter:innen aber „fast so häufig geladen werden wie WissenschaftlerInnen“, sagt Laura Pfirter, Ko-Autorin der Studie.
Besonders niedrig ist die Quote von Akteur:innen aus der Zivilgesellschaft demnach in Gremien des Finanz-, Wirtschafts-, Verkehrs- und Bildungsministeriums sowie des Bundeskanzleramts. Hier stellen sie jeweils weniger als 10 Prozent der Fachleute. Im Justizministerium, das auch für Verbraucherschutz zuständig ist, sind es sogar nur 4,7 Prozent. Doch auch der Anteil von 8,9 Prozent im Verkehrsministerium wirkt gering vor dem Hintergrund, dass das Ressort die Rahmenbedingungen alltäglicher, privater Mobilität festlegt.
Forderung nach mehr Transparenz
Hinzu kommt, dass es dann oft große Organisationen sind, die Vertreter:innen in die Gremien entsenden: etwa die Kirchen, Wohlfahrts- und Naturschutzverbände oder Gewerkschaften. Ihre Beteiligung sei in Form von Anhörungsrechten in Gesetzgebungsverfahren festgeschrieben; sie leisteten dabei wichtige politische Arbeit, heißt es in der Studie. Allerdings seien dadurch immer die gleichen etablierten Organisationen in den Gremien vertreten, da nicht alle gesellschaftlichen Gruppen in Verbänden organisiert seien.
Die Autorinnen kritisieren nicht nur die Nebenrolle der Zivilgesellschaft in den Gremien. Insgesamt beklagen sie, dass die Arbeit der Gremien intransparent sei. Für die Studie haben sie nur 223 der 302 ihnen bekannten Fachgruppen ausgewertet. Über die restlichen 79 seien jedoch nicht genug Informationen zugänglich gewesen. Es liege keine Liste aller Gremien auf Bundesebene vor. Zudem sei weder bekannt, in welchen Verfahren und unter welchen Kriterien sie besetzt werden, noch wer dafür zuständig sei.
Auf dieser Basis formulieren die Autorinnen eine Reihe an Empfehlungen: Die Informationen über Beratungsgremien sollten übersichtlicher, Berufungsverfahren transparenter, Prozesse verrechtlicht und Repräsentation gesellschaftlicher Vielfalt in den Gremien noch deutlicher werden. Zudem solle der Verbandsbegriff geschärft werden; derzeit sei nicht eindeutig geregelt, was als Verband gelte und welchen Gruppierungen die erwähnten Anhörungsrechte zuständen.
Ampelregierung wird in die Pflicht genommen
Diese Empfehlungen richteten sie an die derzeitige und kommende Regierungen. Obwohl die Autorinnen Vorhaben aus dem Ampel-Koalitionsvertrag zur verbesserten Transparenz, Teilhabe und Kooperation zwischen Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Staat als wichtige Ziele loben, sehen sie diese noch nicht umgesetzt.
Auch Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto-Brenner-Stiftung, fordert mehr: „Der begrüßungswerte Anspruch der Ampelkoalition, ein transparenteres Regierungshandeln zu praktizieren, wird sich auch daran messen lassen müssen, ob diese austernähnliche Verschlossenheit aufgebrochen wird und die gepflegte Intransparenz überwunden werden kann.“
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