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Studie zu Pädophilie-UnterstützungGrüne entschuldigen sich bei Opfern

Die Haltung der Grünen gegenüber Pädophilen-Gruppen in den 80ern war Inhalt einer Studie. Diese zeigt: Die Position sei auch auf ideologische Blindheit zurückzuführen.

Diskussionsleitung bei der Bundesversammlung der Grünen 1980. Bild: imago/Friedrich Stark

BERLIN afp | Die Grünen haben sich bei den Opfern von sexuellem Kindesmissbrauch abermals für die Unterstützung von Pädophilen-Gruppen in den 80er Jahren entschuldigt. „Wir bedauern zutiefst, dass es in der frühen Parteigeschichte zu solchen Vorgängen kommen konnte“, sagte Parteichefin Simone Peter bei der Vorstellung des Abschlussberichts zu den damaligen Haltungen am Mittwoch in Berlin.

Die Grünen trügen hier Verantwortung, viele Missbrauchs-Opfer fühlten sich durch die früheren Positionen in der Partei verhöhnt. Die Grünen hätten viel früher reagieren müssen, sagte Peter.

Das Göttinger Institut für Demokratieforschung sieht in seinem Gutachten die damaligen Vorgänge bei den Grünen eng verflochten mit ähnlichen Debatten außerhalb der Partei. Forderungen nach Straffreiheit für Sex mit Kindern habe es schon vor der Gründung der Grünen gegeben, sagte Institutsleiter Franz Walter bei der Vorstellung des Abschlussberichts. Er verwies dabei auf den Linksliberalismus und erwähnte die FDP oder Organisationen wie die Humanistische Union.

Bei den damals neu gegründeten Grünen habe es Tendenzen gegeben, die Positionen von Minderheiten unkritisch zu übernehmen, sagte Walter weiter. Minderheiten seien per se gut gewesen und „ideologisch veredelt“ worden. „In eine neue Partei fließt vieles hinein, was eigentlich gar nicht hineingehört.“ Gleichwohl trügen Parteien wegen ihrer Mitwirkung an der politischen Willensbildung und der finanziellen Unterstützung durch den Staat besondere Verantwortung.

Peter räumte ein, dass die im vergangenen Jahr geführte Pädophilie-Debatte die Grünen Stimmen bei der Bundestagswahl gekostet habe. Sie verwies auf die kurz vor der Wahl bekannt gewordenen Vorwürfe gegen den Spitzenkandidaten Jürgen Trittin, der für ein Grünen-Kommunalwahlprogramm mit Pädophilen-Forderungen presserechtlich verantwortlich gewesen war. Die Parteivorsitzende verwies zugleich darauf, dass die Grünen bereits Mitte der 80er Jahre von den Pädophilen-Gruppen abgerückt seien. Ende kommender Woche wird sich auch der Grünen-Parteitag in Hamburg mit den Vorgängen befassen.

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11 Kommentare

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  • Eines hoffentlich nicht so fernen Tages werden sich grüne Parteimitglieder vielleicht auch mit gesenkten Häuptern für die Übernahme der neoliberalen Ideologie entschuldigen, die sie blind dafür machte, wie der transatlantische Große Bruder die Partei für seine Ziele benutzte.

    (Von der SPD müsste man eine ähnliche Entschuldigung erwarten - falls es sie dann noch gibt.)

  • Vor der Wahl hat Bettina Röhl in der Wirtschaftswoche in ihrer wöchentlichen Kolumne noch ordentlich Stimmung gemacht mit diesem Thema,gegen die ihr verhassten Grünen.Ich habe ihr damals schon auf den Kopf zugesagt,dass nach der Wahl kein Hahn mehr danach krähen würde und so war es auch.Aber ihr Ziel,den Grünen bei der Bundestagswahl zu schaden,hatte sie erreicht.

    • @Markus Müller:

      Wenn es nach Röhl geht, sind die Grünen an allem schuld, vom schlechten Wetter bis hin zum Holocaust. Die Dame kann man schlicht nicht [ernst] nehmen.  [...]

       

      Die Moderation: Kommentar gekürzt und ergänzt.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Diese ganze scheinheilige Debatte dient doch nur dazu, eine unliebsame Partei zu diskreditieren und ihr Stimmen abzujagen. Daß man über dieses Thema nicht vernünftig diskutieren kann, liegt daran, daß hierbei dieselben Wahnideen, wie bei den Hexenverfolgungen herrschen.

     

    Es gibt keinen Pädophilen-Block! Jeder Fall liegt anders. Das ist die vertane Chance bei dieser Sache: Für eine gerechte Bewertung in jedem Einzelfall zu sorgen. So entstehen regelrechte Pogrome, wie z. B. in Stuttgart, Mainz, Insel und Randerath.

     

    Die Zahlen in diesem Straftatenbereich sind rückläufig. Eine Verschärfung des Strafrechts diesbezüglich war reine Wahlpropaganda.

    • @774 (Profil gelöscht):

      "Es gibt keinen Pädophilen-Block!" Oh doch, "Anton Wagner" es gab und gibt sehr eng vernetzte Gruppen. Sehr bekannte Beispiele sind die organisierten Missbräuche in und um Odenwaldschule, Indianerkommune Nürnberg oder Colonia Dignidad.

      • 1G
        1714 (Profil gelöscht)
        @VU NU:

        Das ist richtig - doch es gibt keinen solchen Block in irgendeiner Partei, auch nicht bei den Grünen. Die haben sich wenigstens mit diesen Vorwürfen auseinandergesetzt. Das kann man von der FDP allerdings nicht sagen...

        • 7G
          774 (Profil gelöscht)
          @1714 (Profil gelöscht):

          Womit meine Hypothese über den Hexenwahn bestätigt wäre.

  • Die Zusammenfassung (19 PDF-Seiten) kann man hier finden:

    http://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Ergebnisse_Gruenenstudie_2014.pdf

    Das komplette Abschlussbericht ist ende November zu erwarten.

    Da mein 30-Seitiges Kommentar an Prof. Walter auf den Zwischenbericht basiert ist, sollen mein Kommentaren hier größenteils hierauf basiert sein .

  • „Wir bedauern zutiefst, dass es in der frühen Parteiengeschichte zu solchen Vorgängen kommen konnte“

     

    Empfinde ich erstmal als richtige und wichtige Geste.

  • Wie wäre es sich endlich bei den Opfern des Angriffskrieges auf Jugoslavien zu endschuldgen statt für Positionen die Niemanden wirklich geschadet haben.

    Es sind auch Kinder die immer noch an den Folgen des einsatzes von Uranmunition zu leiden haben.

    • @jens Nehrkorn:

      Die Grünen sollen sich entschuldigen und die SPD darf regieren, oder wie war das gemeint?