Studie zu Luftverschmutzung: Kohle kann tödlich sein
Das Verbrennen fossiler Energieträger ist nicht nur schlecht für das Klima, sondern auch für die Gesundheit. Wie schlecht, zeigt eine neue Studie.
Dass verschmutzte Luft extrem gesundheitsschädlich ist, ist seit Jahrzehnten bekannt. Das Neue an dieser Studie: Sie untersucht, inwieweit speziell das Verbrennen fossiler Energieträger zur Luftverschmutzung beiträgt und damit die Gesundheit der Menschen gefährdet – bisherige Untersuchungen unterschieden den Autor*innen zufolge nicht zwischen den einzelnen Feinstaubquellen und umfassten zum Beispiel auch den Rauch von Waldbränden oder Staub.
Um die Konzentrationen von Feinstaub in der Luft zu modellieren, griffen frühere Analysen auf Satelliten- und Oberflächendaten zurück, heißt es in dem Bericht. Das Problem: Satelliten- und Oberflächenbeobachtungen könnten nicht zwischen Partikeln aus Emissionen fossiler Brennstoffe und solchen aus Waldbränden oder anderen Quellen unterscheiden. „Mit Satellitendaten sieht man nur Teile des Puzzles“, sagt Loretta Mickley, Mitautorin der Studie.
Todesraten in China und Indien am höchsten
Deswegen wandten die Forscher*innen das sogenannte GEOS-Chem Modell an – ein 3D-Modell, mit dem es möglich ist, den Beitrag fossiler Brennstoffe zur Luftverschmutzung herauszuarbeiten. Anhand dessen konnte das Team die Erde in ein Raster mit 50 mal 60 Kilometer große Felder einteilen und die Feinstaubwerte in jedem Feld einzeln betrachten. „Wir wollten so genau wie möglich herausstellen, wo die Luftverschmutzung besonders stark ist“, sagt Karn Vohra, Erstautor der Studie.
Am stärksten verdreckt ist die Luft durch die Nutzung fossiler Brennstoffe demnach in Nordostamerika, Europa und Ost- und Südostasien. Entsprechend hoch sind dort die Todesraten. In China zum Beispiel sterben der Studie zufolge jährlich 3,9 Millionen Menschen vorzeitig durch diese Art der Luftverschmutzung, in Indien 2,5 Millionen. In Deutschland sind es pro Jahr 198.569 Menschen – das sind 22,2 Prozent aller bundesweiten Todesfälle. Besonders schmutzige Luft atmen die Menschen im Ruhrgebiet, in Berlin, in Frankfurt und in Hamburg ein. Wie viel eher die Menschen sterben – ob zwei Monate oder zwei Jahre –, haben die Wissenschaftler*innen allerdings nicht erhoben.
„Die von uns ermittelten Werte sind sehr beunruhigend, da sie um einiges höher sind als frühere Schätzungen zur Sterblichkeit durch Luftverschmutzung“, schreibt Mitautorin Eloise Marais auf Anfrage der taz. Dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass die Forscher*innen ein neues Modell zur Risikobewertung entwickelten. „Unsere Ergebnisse stimmen mit dem wissenschaftlichen Konsens überein, dass Luftverschmutzung schlechter für die Gesundheit ist, als zunächst angenommen.“
Kinder besonders gefährdet
Darüber hinaus untersuchten die Wissenschaftler*innen, inwiefern das Verbrennen fossiler Energieträger die Gesundheit von Kindern unter fünf Jahren gefährdet. Das Ergebnis: In Nordamerika sterben dadurch jährlich 876 Kinder vorzeitig an Infektionen der unteren Atemwege, in Südamerika 747, in Europa 605. „Bezogen auf das Körpergewicht atmen Kinder mehr Feinstaubpartikel ein als Erwachsene“, heißt es in der Studie.
Die Kinderärztin Amanda Millstein sagt: „In meiner Praxis sehe ich jeden Tag, wie sich die Luftverschmutzung auf die Gesundheit von Babys, Kindern und Jugendlichen auswirkt.“ Millstein arbeitet in der Hafenstadt Richmond im US-Bundesstaat Kalifornien – einer Gegend, in der sich ein Kohleterminal und mehrere Ölraffinerien befinden. Immer mehr ihrer Patient*innen erkrankten an Asthma, auch die Zahl der Frühgeburten steige. „Um unsere Kinder zu schützen, müssen wir jetzt auf erneuerbare Energien umsteigen.“
Das fordern auch die Autor*innen der Studie: Die Ergebnisse seien eine klare Botschaft an die Politik, weitere Anreize für den Umstieg auf saubere Energiequellen zu schaffen. „Wir können nicht mit gutem Gewissen weiter auf fossile Brennstoffe setzen, wenn wir wissen, dass sie so schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit haben und es praktikable, sauberere Alternativen gibt“, sagt Marais.
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