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Studie zu Leben Schwarzer MenschenDeutschland besonders rassistisch

Schwarze Menschen erleben in Deutschland besonders viel Diskriminierung. Mehr als die Hälfte der Befragten war direkt von Übergriffen betroffen.

Erschreckende Studienergebnisse: Rassismus hat in Deutschland weiter zugenommen Foto: Felix Kästle/dpa

Wien dpa | In einer Studie zu Rassismus gegen Schwarze Menschen in gut einem Dutzend EU-Staaten hat Deutschland am schlechtesten abgeschnitten. Demnach gaben 76 Prozent der Befragten an, in den vergangenen fünf Jahren wegen ihrer Hautfarbe, Herkunft oder Religion benachteiligt worden zu sein, wie die Europäische Agentur für Grundrechte (FRA) in Wien am Mittwoch mitteilte. Das ist der höchste Anteil unter den 13 EU-Ländern, in denen Menschen mit afrikanischen Wurzeln zu Rassismus und Diskriminierung befragt wurden. Österreich hatte laut der Studie ähnlich schlechte Werte.

Im Durchschnitt erlebten 45 Prozent der knapp 7.000 Studienteilnehmer in Europa in den vergangenen Jahren rassistische Diskriminierung. Laut dem FRA-Bericht ist das Problem also deutlich größer geworden. Denn in einer vorigen Studie aus dem Jahr 2016 hatte der durchschnittliche Anteil noch bei 39 Prozent gelegen.

FRA-Direktor Michael O'Flaherty bezeichnete den Trend als „schockierend“. Es müsse sichergestellt werden, „dass auch Menschen afrikanischer Herkunft ihre Rechte wahrnehmen können – ohne Rassismus und Diskriminierung“, sagte er. Die FRA forderte EU-Staaten unter anderem auf, genauere Daten zu rassistischen Vorfällen zu sammeln und rassistisch motivierte Straftaten härter zu bestrafen.

Auch bei rassistisch motivierten Übergriffen liegt Deutschland laut der Umfrage im Spitzenfeld. Dort erlebten 54 Prozent der Befragten Belästigungen – der höchste Anteil unter den 13 Staaten. Außerdem berichteten in Deutschland 9 Prozent von persönlichen Gewalterfahrungen. Dieser Wert wurde nur von Finnland mit 11 Prozent übertroffen.

Mehr als die Hälfte der befragten Schwarzen Menschen in Deutschland fühlten sich bei der Arbeitssuche diskriminiert. Der Mittelwert der 13 Staaten lag bei etwa einem Drittel. In deutschen Schulen sind demnach fast 40 Prozent der schwarzen Schülerinnen und Schüler mit rassistischen Beleidigungen oder Drohungen konfrontiert, ähnlich wie in Irland, Finnland und Österreich.

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11 Kommentare

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  • POC leben in Polen oder Ungarn tatsächlich besser und erfahren dort weniger Diskriminierung? Oder wurden in Polen einfach keine POC befragt, weil dort keine leben?

    • @casio:

      Ungarn wurde nicht beprobt. Polen ja. Mit ca 500 Teilnehmenden, wie in anderen Ländern auch.

      • @fly:

        Der Studie zufolge sind junge Menschen und solche mit Hochschulabschluss am Meisten von Rassismus betroffen. Ohne das Thema allgemein oder das Erleben der Befragten in irgendeiner Weise herunterzuspielen, vermute ich, dass die Studie diesbezüglich ein Validitätsproblem hat. Hochschulabsolvent*innen in Finnland oder Deutschland sind vermutlich in der Regel sensibler und auch geschulter darin, etwas als explizit rassistisch zu werten. Währenddessen wird z.B. eine erst kürzlich als Flüchtling angekommene Person, fast ohne Kenntnis der Landessprache, die Grenzbeamte oder den Behördenmitarbeiter vielleicht eher als allgemein feindlich wahrnehmen - um jetzt nur mal zwei mögliche Befragentypen zu konstruieren. Das ändert nichts an der Tatsache, dass Deutschland ein ernstzunehmendes Rassismusproblem hat.

  • Deutschland und Österreich haben eine nicht nennenswerte koloniale Vergangenheit. Einwanderung kam bei uns viel zu spät. Unsere Vorfahren haben nicht Jahrhundertelang in den Kolonien gelebt, sich dort vermischt oder Menschen von dort mit ins Heimatland gebracht. Ich kenne Menschen die keine Spiele der Nationalmannschaft schauen, weil das ja alles keine Weißen mehr sind. Das diese hier z.T. geboren wurden und besser deutsch sprechen als die Rassisten merken die nicht mal.

    • @Narrenfell:

      „…nicht nennenswerte koloniale Vergangenheit…“?!



      Entschuldigung, aber das Deutsche Kaiserreich wurde innerhalb weniger Jahre zur drittgrößten(!) Kolonialmacht (nach UK & Frankreich), lediglich die Zeitspanne war durch den Ersten Weltkrieg begrenzt.

    • @Narrenfell:

      "Deutschland und Österreich haben eine nicht nennenswerte koloniale Vergangenheit."



      Ist das jetzt gut oder schlecht?

      "Einwanderung kam bei uns viel zu spät."



      Zu spät für was?



      Und inwiefern ist Deutschland als historisches Durchgangsland mitten in Europa ohne Einwanderung? Seit den Römern gaben sich hier doch die Menschen die Klinke in die Hand.



      Oder zählen die nicht?

    • @Narrenfell:

      Auch ein take. Deutschland ist/war zu wenig kolonial.

      Versuchen Sie das Argument mal in einer intersektionalen Diskussionsgruppe im Rahmen der Politikwissenschaften oder Soziologie in an einer deutschen Uni.

    • @Narrenfell:

      Deutschland ist - in der realen Welt - seit Jahrhunderten ein Einwanderungsland

      www.bpb.de/themen/...d-aus-deutschland/

      Nur sind - heute wie in der Vergangenheit - manche Leute hier Rassisten. Sie sollten den Kontakt zu diesen Rassisten abbrechen.

  • Sehr besorgniserregend in der Tat. Den Leser würde nun aber auch interessieren, in welchem Land die geringsten Diskriminierungserfahrungen gemacht wurden. Ich habe eben nachgeschaut und sehe Portugal, Polen und Schweden in dieser Gruppe.

  • Toll, wie im Taz-Forum die Diversity, insbesondere bzgl. Meinungsfreiheit, hochgehalten wird. So offene und kontroverse Beiträge zu veröffentlichen traut sich nicht jedes Blatt.

  • Das überrascht mich nicht im Geringsten. Wie geht nochmal die Flagge Deutschlands? Schwarz des Opfers Hautfarbe, Rot des Opfers Blut, Gold des Täters Stolz?

    Und mit dem Hype an Abschiebungen ist die aktuelle Politiklandschaft blind oder ignorant geworden. Sehen keine rassitischen Vorfälle und wenn diese belegt werden, wie im Artikel, sind womöglich People of Color schuld daran, weil ihr Aussehen sich vom heteronormativen Weißen unterscheidet.

    Was schlimm ist: Sogar PoC, die seit Jahrzehnten hier in Deutschland leben, erfahren Rassismus. Gehen viele viele Jahre einer Arbeit nach, pflegen den eigenen Garten oder ähnliches. Nein, diese Menschen werden immernoch kritisch beachtet.

    Was aus Deutschland geworden ist, einem Land, welches sich aufgrund historischer Ereignisse zu FremdenFREUNDLICHkeit verpflichten muss, ist schon traurig.