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Studie zu Einfluss von LobbyismusEinseitiger Zugang

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Eine neue Lobbyismus-Studie zeigt: Vertreter mächtiger Wirtschaftsinteressen bekommen besseren Zugang zur Politik als Umwelt-oder Wohlfahrtsverbände.

Vertreter mächtiger Wirtschaftsinteressen, z.B. die Autoindustrie bekommen besseren Politikzugang Foto: Darius Simka/imago

L obbyismus ist nicht grundsätzlich schlecht. Der Begriff besagt nur, dass Vertreter:innen von Interessengruppen außerhalb des Plenarsaals, in der Lobby des Parlaments, den Abgeordneten ihre Anliegen nahebringen. Das scheint auch nötig, denn die Parlamentarier:innen sollen schließlich die Interessen der Bevölkerung wahrnehmen. Problematisch wird es aber, wenn einzelne Gruppen sich permanent auf Kosten anderer durchsetzen. Genau dafür liefert die neue Studie „Ungleiches Terrain“ der Organisation Finanzwende Indizien.

Auch die evangelische Entwicklungsorganisation Brot für die Welt, der Deutsche Naturschutzring oder der Bundesverband der Verbraucherzentralen sind Lobbyorganisationen. Manche halten sie für die Guten, andere für die Schlechten. So variiert auch die Einschätzung der Wirtschaftsvertreter:innen – Union und FDP hofieren diese Abgesandten, während Linke die Augenbrauen hochziehen. Man könnte sagen: Jede Partei im Bundestag hat die Lobby, die ihr gefällt.

Wie die Finanzwende-Studie allerdings zeigt, scheint in der Praxis des Lobbyismus ein erhebliches Ungleichgewicht zu herrschen. Vertreter:innen mächtiger Wirtschaftsinteressen wie Banken, Auto-, Lebensmittel- und Pharmaindustrie genießen bevorzugten Zugang. Doch die unter solch parteilichem Einfluss zustande gekommenen Gesetze dienen letztlich nicht dem Wohl der Allgemeinheit, sondern Partikularinteressen.

Die Regulierung von Lobbyismus hierzulande ist unterentwickelt. Es fehlt ein Transparenzregister, das auf EU-Ebene bereits existiert. Wenn es kommt, sollte es auch Auskunft darüber geben, welche konkreten Veränderungen einzelne Interventionen im Gesetzgebungsverfahren ausgelöst haben. Außerdem sollte eine ausgewogene Repräsentanz von Expert:innen bei Anhörungen im Bundestag festgelegt werden. Eine einsame Verbraucherschützerin gegen eine Übermacht von vier Bankenexpert:innen: das ist schlechter Lobbyismus.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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4 Kommentare

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  • taz: "Eine neue Lobbyismus-Studie zeigt: Vertreter mächtiger Wirtschaftsinteressen bekommen besseren Zugang zur Politik als Umwelt-oder Wohlfahrtsverbände."

    Das ist doch schon seit Jahren bekannt. Weshalb das so ist, dafür muss man sich nur einmal die "Seitenwechsler in Deutschland im Überblick" auf Lobbypedia anschauen. lobbypedia.de/wiki..._im_%C3%9Cberblick

  • In diesem Kommentar gibt es zwei grundsätzlich falsche Aussagen. Erstens - so etwas wie das Gemeinwohl gibt es nicht, sondern das entsteht aus dem Widerstreit der Partikularinteressen. Zweitens - der direkte Zugang zu Parlamentariern oder anderen politischen Entscheidern mag zwar für Vertreter der Wirtschaftsinteressen leichter sein, er ist aber nicht wirkungsvoller als der Zugang der Umwelt- oder Klimalobby, denn die haben im Regelfall grosse Teile der veröffentlichten Meinung hinter sich und üben so Druck aus, der wahrscheinlich deutlich effektiver ist als der klassische Lobbyismus, der hier beschrieben wird.

  • Das ist jetzt wirklich nichts Neues - aber vielleicht ganz gut, dass man es mal wieder ausspricht.



    Die EU ist übrigens so gebaut, dass es geregelt ist, dass Lobbyisten problemlos Zugang zur Kommission haben - aber Mitglieder des EU-Parlaments nicht. Egal wie offen die Liste der Lobbyisten ist, da ist ein ganz krasser Reformbedarf!!!

    • @Mainzerin:

      Zudem sind die Tagungsberichte der Kommission(en=Ministerräte) in der Regel geheim, die Sitzungen des Parlaments hingegen öffentlich.

      Ich weiß nicht, auf wessen Mist die Kommission gewachsen ist, aber sie ist letztlich nur ein Instrument, eine klandestine Parallelregierung an der europäischen Idee vorbei agieren zu lassen - und zudem noch die nationalen Regierungen illegitim Macht ausüben zu lassen, denn über die Ministerräte können sie Deals einfädeln, an denen sich eine Regierung daheim die Finger verbrennen würde. Eine "EU-Presse", die solche Hinterzimmergeschäfte öffentlich macht, gibt es ja nicht, und die nationalen Presseorgane behandeln die EU-Ebene wie eine beliebige ausländische Hauptstadt, und nicht wie die Meta-Regierung ihres eigenen Landes, die sie (bis auf das demokratisch direkt legitimierte Parlament) ist. Eigentlich müssten die Medien so wichtige und fähige Leute zur EU schicken, wie sie ins Regierungsviertel ihrer eigenen Hauptstädte schicken. In der Realität kriegt man eher den Eindruck "Brüssel" sei so eine Art journalistischer Strafplanet.