Studie zu Diskriminierung in Sachsen: Kein Respekt und Nachteile im Job

Menschen werden am häufigsten aufgrund ihrer Erscheinung benachteiligt. Das zeigt eine neue Studie zu Diskriminierungserfahrungen in Sachsen.

Ein Mann mit Tatoos serviert ein Gleischgericht

Benachteiligt wegen Tatoos Foto: Daniel Gonzales/imago

LEIPZIG taz | Je­de:r Zweite von mehr als 2.000 Befragten in Sachsen hat bereits Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht. Das geht aus einer Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM-Institut) hervor, die am Montag in Dresden vorgestellt wurde. Es ist die erste Studie, die sich mit verschiedenen Diskriminierungsmerkmalen in Sachsen beschäftigt – darunter ethnische Herkunft, Geschlecht, religiöse Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, äußere Erscheinung, sozioökonomischer Status, Alter oder Behinderung. Sie wurde vom sächsischen Justiz- und Demokratieministerium in Auftrag gegeben.

Für die Studie wurden im Sommer 2021 Personen ab 16 Jahren zu ihren Diskriminierungserfahrungen in den vorangegangenen zwei Jahren befragt. Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass sich die Diskriminierungserfahrungen in Sachsen kaum von bundesweiten Erfahrungen unterscheiden.

45 Prozent derer, die Diskriminierung erlebt haben, gaben an, dass sie aufgrund ihrer äußeren Erscheinung benachteiligt wurden, etwa wegen ihrer Kleidung, ihrer Körpergröße, ihrer Tattoos und Piercings – vor allem aber wegen ihres Körpergewichts.

42 Prozent der Befragten vermuteten, aufgrund ihrer Gestik und ihres Verhaltens diskriminiert worden zu sein. 39 Prozent aufgrund ihres Alters und 33 Prozent aufgrund ihres sozioökonomischen Status. Danach folgen die Merkmale Behinderung (31 Prozent), religiöse Zugehörigkeit (20 Prozent), Geschlecht (18 Prozent), Sprechweise (18 Prozent), rassistische Zuschreibungen (16 Prozent) und sexuelle Orientierung (15 Prozent). Mehrfachnennungen waren möglich.

Antidiskriminierungsgesetz enthält äußere Erscheinung bislang nicht

Der am häufigsten genannte Grund für Diskriminierung, die äußere Erscheinung, ist bisher nicht im Antidiskriminierungsgesetz als Merkmal aufgeführt – ebenso wenig wie der sozioökonomische Status oder die eigene Gestik. Das heißt, wer aufgrund dieser Merkmale zum Beispiel im Berufsleben benachteiligt wird, kann dagegen nicht klagen.

Die Stu­di­en­au­to­r:in­nen fragten außerdem nach den Lebensbereichen, in denen die Befragten diskriminiert wurden. Fast jede zweite Person, die in den vorangegangenen zwei Jahren Kontakt zu Bildungseinrichtungen hatte, berichtete von Diskriminierung. Knapp ein Drittel gab an, im Berufsleben Diskriminierung erlebt zu haben. Ämter und Behörden wurden von einem Viertel der Befragten als Orte für Diskriminierung genannt. Ebenfalls ein Viertel berichtete, in Kontakt mit der Polizei benachteiligt worden zu sein. Bei der Justiz liegt der Anteil mit 29 Prozent noch höher.

Am häufigsten erlebten die Stu­di­en­teil­neh­me­r:in­nen Formen der sozialen Herabwürdigung: Jeweils 29 Prozent haben es mindestens einmal erlebt, dass sie angestarrt wurden oder ihnen ihre Intelligenz abgesprochen wurde. 28 Prozent berichteten, hinsichtlich ihrer eigenen Leistungen abgewertet worden zu sein.

16 Prozent der Befragten haben zwischen 2019 und 2021 mindestens einmal sexuelle Belästigungen erlebt, 9 Prozent körperliche Gewalt und 7 Prozent sexualisierte Gewalt erfahren.

Wie die sächsische Bevölkerungsbefragung zeigt, kommt es nicht nur in den größeren Städten wie Leipzig, Dresden und Chemnitz zu Diskriminierung, sondern auch im ländlichen Raum.

Um valide Aussagen über die Diskriminierungserfahrungen von kleinen gesellschaftlichen Gruppen in Sachsen treffen zu können – etwa von queeren Personen oder Menschen mit Migrationsgeschichte –, haben die Stu­di­en­au­to­r:in­nen im Frühjahr und Sommer 2021 noch eine zweite Befragung durchgeführt, die sich explizit an Menschen mit Diskriminierungserfahrungen richtete.

Anstieg von antiasiatischem Rassismus

Knapp 1.500 Menschen nahmen daran teil. Die zweite Befragung zeigt, dass queere Menschen, Menschen mit Behinderungen sowie Menschen, die von rassistischen Zuschreibungen betroffen sind, ein hohes Diskriminierungsrisiko in Sachsen haben. „Während der Pandemie haben zudem besonders Alleinerziehende und Menschen, die zu einer Risikogruppe gehören, verstärkt Diskriminierung erfahren. Viele Betroffene berichteten zudem von einem Anstieg von antiasiatischem Rassismus“, teilte Sabrina Zajak vom DeZIM-Institut am Montag mit.

Die sächsische Landesbeauftragte für Antidiskriminierung, Andrea Blumtritt, sagte: „Diskriminierungserfahrungen können für Betroffene neben materiellen Nachteilen, wie zum Beispiel einen Arbeitsplatz oder eine Wohnung nicht zu bekommen, auch mit gravierenden emotionalen und gesundheitlichen Folgen einhergehen“. Darüber werde noch zu wenig gesprochen. „Die gesellschaftliche Sensibilität für Diskriminierung zu erhöhen und den Diskriminierungsschutz in Sachsen mit geeigneten Maßnahmen zu stärken – darauf wird der Fokus der weiteren Antidiskriminierungsarbeit in Sachsen liegen.“

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